Antwort von Herrn Barnier im Namen der Kommission
9.8.2011
Es ist nicht abzustreiten, dass viele Rohstoffmärkte in den letzten Jahren zunehmender Finanzialisierung ausgesetzt waren. Das gute Funktionieren der Märkte für Rohstoffe und Rohstoffderivate ist eine Priorität der Kommission, an der sie in den vergangenen Jahren gearbeitet hat und auch weiterhin arbeiten wird.
Ein gewisser Grad an Volatilität ist auf den Märkten nichts Ungewöhnliches. Allerdings haben große Rohstoffmärkte (u. a. Energie, Metalle, Mineralien und Landwirtschaft) in den letzten Jahren eine erhöhte Volatilität und unerwartet große Preisschwankungen gezeigt. Der übermäßigen Volatilität der Rohstoffpreise und insbesondere den Auswirkungen der stärkeren Präsenz von Finanzinvestoren entgegenzuwirken, ist eine der Hauptprioritäten der Kommission in diesem Bereich.
Ein erster Schritt zur Verbesserung dieser Märkte ist sicherzustellen, dass die grundlegenden Daten und Informationen hinsichtlich des Handelsgebarens aller Marktbeteiligten transparent sind. Außerdem benötigen die Aufsichtsstellen die entsprechenden Aufsichtsinstrumente, um Fragen im Zusammenhang mit der Integrität und Stabilität der Märkte angehen zu können. Dazu gehört auch, dass sie die Befugnis erhalten, wo nötig Positionslimitierungen festzusetzen.
Derzeit fallen alle Rohstoffderivate in den Geltungsbereich der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente[1]. Das heißt, es gibt allgemeine Vorschriften, um zu gewährleisten, dass Rohstoffderivate auf geordnete und transparente Weise gehandelt werden. Alle Transaktionen von Rohstoffderivaten, die auf einem geregelten Markt gehandelt werden dürfen, müssen den zuständigen Behörden gemeldet werden. Für Warenderivate, die für den Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, gilt außerdem die Richtlinie über Marktmissbrauch[2], nach der Insidergeschäfte und Marktmanipulationen auf allen Finanzmärkten, einschließlich dem Rohstoffderivatmarkt, verboten sind.
In ihrer Mitteilung zu Grundstoffmärkten und Rohstoffen vom Februar 2011[3] hat die Kommission weitere Maßnahmen zur Verbesserung der Integrität und Transparenz der Märkte gefordert. Es besteht breite Übereinstimmung, dass es wünschenswert ist, die Integrität und Transparenz der Rohstoffderivatmärkte zu steigern. Im Einklang mit den G20-Grundsätzen und -Schlussfolgerungen hat die Kommission eine Reihe von Initiativen eingeleitet, um dies zu erreichen:
- —Sie hat einen Vorschlag für eine Verordnung über den Handel mit Over-the-Counter-Derivaten (OTC-Derivaten)[4] angenommen, mit dem das systemische Risiko verringert und die Transparenz gegenüber den Regulierungsbehörden bei allen Derivaten, einschließlich Rohstoffderivaten, verbessert werden soll. Mit diesem Vorschlag wird die Vorschrift geschaffen, dass Derivate an Transaktionsregister gemeldet werden müssen. Dadurch werden Positionen in diesen Derivaten für die zuständigen Behörden transparenter;
- —die Überarbeitung der Marktmissbrauchsrichtlinie[5] im Oktober 2011 soll klarstellen, welche Handelsaktivitäten auf den Rohstoffmärkten missbräuchlich sind, und sicherstellen, dass alle Handelsorte und Transaktionen, bei denen es zu missbräuchlichen Praktiken kommen kann, in angemessener Weise durch EU-weit geltende Vorschriften abgedeckt werden;
- —bei der Überarbeitung der Standardprodukte für Privatanleger[6] wird der Bedarf nach strengeren Regelungen und einer höheren Qualität der Informationen für Fälle geprüft, in denen Kleinanlegern diverse strukturierte Rohstoff-Anlageprodukte angeboten werden;
- —mit der Richtlinie über die Verwalter alternativer Investmentfonds[7] werden die Transparenz dieser Fonds für Anleger und nationale Aufsichtsstellen erhöht und ihre Auswirkungen auf die Märkte für Rohstoffderivate geklärt;
- —die Überarbeitung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente[8] im Oktober 2011 wird die Transparenz der Geschäfte und Preise im Bereich Rohstoffderivate weiter verbessern, indem festgelegt wird, unter welchen Bedingungen Rohstoffderivate-Produkte ausschließlich an organisierten Handelsplätzen gehandelt werden sollen. Ferner wird auch der Bedarf nach systematischeren und detaillierteren Informationen über Handelsaktivitäten von Marktteilnehmern verschiedener Art mit Rohstoffderivaten sowie nach umfassenderer Überwachung der Rohstoffderivate-Positionen durch Regulierungsbehörden geprüft, darunter auch die Notwendigkeit, erforderlichenfalls Obergrenzen für Positionen festzulegen;
- —Schließlich wird die Einrichtung einer Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) die Kohärenz der technischen Vorschriften, denen diese Märkte unterliegen, gewährleisten und darüber hinaus eine engere Zusammenarbeit mit den für die entsprechenden physischen Märkte zuständigen Regulierungsstellen fördern[9].
Auf internationaler Ebene wurde auf dem G20-Gipfel 2009 in Pittsburgh vereinbart, „die Regulierung, Funktionsweise und Transparenz der Finanz- und Warenmärkte zu verbessern und gegen übermäßige Schwankungen der Rohstoffpreise vorzugehen“[10]. Beim Gipfel 2010 in Seoul ersuchten die G20 FAO, IFAD, IWF, OECD, UNCTAD, WFP, Weltbank und WTO, mit wichtigen Akteuren zusammenzuarbeiten, um Optionen für die Erwägung der G20 dazu zu entwickeln, wie Risiken in Verbindung mit der Preisvolatilität bei Nahrungsmitteln und anderen landwirtschaftlichen Rohstoffen besser begrenzt und gesteuert werden können, ohne das Marktverhaltung zu verzerren, damit die am stärksten gefährdeten Personengruppen geschützt werden. Im Juni 2011 legten FAO, IFAD, OECD, UNCTAD, WFP, Weltbank, WTO, IFPRI und HLTF der Vereinten Nationen den G20 ihren Abschlussbericht vor.
Mit diesen Maßnahmen soll sichergestellt werden, dass die Finanzmärkte auch weiterhin im Dienste der Realwirtschaft stehen, so dass Erzeuger und Verbraucher die Derivatmärkte weiter nutzen können, um ihre Aktivitäten in der Realwirtschaft abzusichern.
- [1] Richtlinie 2004/39/EG (ABl. L 145 vom 30.4.2004).
- [2] Richtlinie 2003/6/EG (ABl. L 96 vom 12.4.2003).
- [3] Grundstoffmärkte und Rohstoffe: Herausforderungen und Lösungsansätze, Februar 2011, KOM(2011)25 endg.
- [4] KOM(2010)484 endg.
- [5] Richtlinie 2003/6/EG (ABl. L 96 vom 12.4.2003).
- [6] Eine öffentliche Konsultation zu Standardprodukten für Privatanleger wurde am 26. November 2010 eingeleitet — http://ec.europa.eu/internal_market/finservices-retail/investment_products_de.htm#consultation
- [7] KOM(2009)207 endg.
- [8] Richtlinie 2004/39/EG (ABl. L 145 vom 30.4.2004).
- [9] Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde, zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/77/EG der Kommission (ABl. L 331 vom 15.12.2010, S. 84.)
- [10] http://www.pittsburghsummit.gov/mediacenter/129639.htm