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Betriebsrat: Einigung mit Alstom über Zukunft der Waggonbau-Werke

Das Waggonbau-Unternehmen Alstom und der Betriebsrat haben einen Tarifvertrag verhandelt. Alstom rückte vom Stellenabbau ab, der Betriebsrat musste Zugeständnisse beim Einkommen machen.

Von Sebastian Beutler
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Alstom hat sich mit den Belegschaftsvertretern auf einen Kündigungsschutz für die Mitarbeiter verständigt.
Alstom hat sich mit den Belegschaftsvertretern auf einen Kündigungsschutz für die Mitarbeiter verständigt. © Matthias Wehnert

Im Streit über die Zukunft der deutschen Alstom-Werke hat es am Sonnabendfrüh eine Einigung gegeben. Das bestätigt Gesamtbetriebsratsvorsitzender René Straube gegenüber Sächsische.de.

So haben sich die deutsche Alstom-Spitze und der Gesamtbetriebsrat auf einen Tarifvertrag geeinigt. Er sieht eine mittelfristige Sicherheit für alle Alstom-Standorte vor, einen starken Kündigungsschutz für die Mitarbeiter sowie Investitionen. Alstom wiederum konnte sich dabei durchsetzen, bei den Kosten entlastet zu werden.

So ist die Zahlung von fünf Prozent des Jahreseinkommens der Mitarbeiter davon abhängig, ob Effizienzgewinne erreicht werden. Die Einzelheiten sollen in den nächsten Tagen von Alstom und der IG Metall veröffentlicht werden. Dem Tarifvertrag müssen die IG-Metall-Mitglieder an allen Standorten noch zustimmen.

René Straube zeigte sich am Sonnabend zufrieden, mit dem erreichten Verhandlungsergebnis.
René Straube zeigte sich am Sonnabend zufrieden, mit dem erreichten Verhandlungsergebnis. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

"Wir haben das Beste erreicht, was wir konnten", erklärte Straube am Sonnabend gegenüber Sächsische.de, "viel mehr jedenfalls, als uns Alstom zugestehen wollte." Daher empfiehlt Straube den Tarifvertrag auch den Mitarbeitern zur Zustimmung.

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Damit könnte der Konflikt nach 14 Monaten befriedet werden. Kurz vor Weihnachten 2021 hatte der französische Bahn-Konzern Alstom angekündigt, 1.300 Stellen in seinen deutschen Werken abzubauen und zugleich 700 neue zu schaffen, beispielsweise für Software und die Digitalisierung der Fahrzeuge. Für Görlitz hieß es, von den 900 Mitarbeitern sollten 400 ihren Job verlieren, in Bautzen drohte 150 Mitarbeitern der Verlust des Arbeitsplatzes.

Alstom hatte erst wenige Monate zuvor die Werke vom kanadischen Unternehmen Bombardier übernommen und anschließend Probleme wie fehlende Wirtschaftlichkeit in der Produktion festgestellt. Mit dem angekündigten Arbeitsplatzabbau sollte die Effizienz gesteigert werden.

Alstom-Mitarbeiter in ganz Deutschland demonstrierten

Nach der Ankündigung des Stellenabbaus erarbeitete die Belegschaft gemeinsam mit der IG Metall eine eigene Strategie für die Waggonbau-Werke. Sie sah Investitionen in die Werke vor für eine bessere Auslastung, um die Effektivität der Werke deutlich zu steigern und wettbewerbsfähige Stundensätze zu erreichen. Auf diese Weise seien nach Ansicht des Betriebsrates keine Entlassungen nötig. Diesen Ansatz hat die Belegschaft in den Vertrag einbringen können.

Zudem demonstrierten Alstom-Mitarbeiter aus ganz Deutschland in Berlin, um Druck auf den Konzern auszuüben, von seinen Plänen Abstand zu nehmen. Sie forderten eine Beschäftigungsgarantie für die Mitarbeiter bei Alstom. Straube lobte die Unterstützung durch Bundes- und Landespolitiker wie die Parlamentarischen Staatssekretäre des Bundesverkehrs- und -wirtschaftsministeriums, von Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer und Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig.

In Görlitz formierten sich auch Initiativen, die auch eine Herauslösung des Görlitzer Waggonbaus aus dem Alstom-Konzern und eine Weiterführung als selbstständiger Standort oder unter dem Dach anderer Konzerne als Möglichkeit prüften. Der Betriebsrat blieb diesen Alternativen gegenüber immer skeptisch und strebte eher eine Lösung innerhalb des Alstom-Konzerns an. Schließlich liefen diese Prüfungen auch ins Leere.

Die Politik wiederum appellierte an Alstom, die Standorte in der Oberlausitz zu erhalten. Bautzens Oberbürgermeister Karsten Vogt richtete erst Anfang März einen Brief an den Chef des Alstom-Konzerns Henri Pupart-Lafarge. Darin forderte er ein klares Bekenntnis zur Zukunft des Bautzener Werks. "Wenn Alstom öffentlich über den Abbau von etwa 1.000 Arbeitsplätzen allein im Osten Deutschlands redet, schafft dies eine nachvollziehbare Verunsicherung und auch Ängste in der Belegschaft. Das haben die Menschen hier nicht verdient."

2022 beharrte der Geschäftsführer auf Stellenabbau

Die Verhandlungen zwischen der Geschäftsführung und den Belegschaftsvertretern gestalteten sich schwierig. Mitte vergangenen Jahres beharrte der Chef der deutschen Alstom-Werke Müslüm Yakisan auf dem angekündigten Stellenabbau. "Wir halten es für notwendig, dass wir 900 bis 1.300 Arbeitsplätze anders gestalten", sagte er seinerzeit der Berliner Tageszeitung "Tagesspiegel". Bis zum Ende des Jahres wollte er eine Lösung.

Doch das gelang nicht, zu weit lagen die Vorstellungen beider Seiten auseinander. So erklärte zwischen den Jahren Alstom-Sprecher Florez: "Aufgrund der inhaltlichen Komplexität werden diese Verhandlungen 2023 konstruktiv und engagiert fortgesetzt." Bewegung kam dann aber erst in die Gespräche, als sie von Berlin nach Frankfurt/Main an den Hauptsitz der IG Metall verlegt wurden.

Nachdem Ende Februar sich die deutsche Alstom-Spitze und Vertreter der Belegschaft noch ergebnislos vertagt hatten, erklärte Gesamtbetriebsratsvorsitzender René Straube kurz darauf, dass sich beide Seiten angenähert hätten. Es brauchte dann aber nochmals zwei Termine am 9. März und an diesem Wochenende, ehe tatsächlich die Einigung an diesem Sonnabend um 5.30 Uhr stand.