Mobil­funk Wie riskant ist Handy­strahlung? Ein Faktencheck

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Mobil­funk - Wie riskant ist Handy­strahlung? Ein Faktencheck

Kopf im Fokus. Viele Mobil­funk­studien befassen sich mit Hirntumoren. © Stiftung Warentest / Ralph Kaiser

Mit den ersten Handys begann die Diskussion um mögliche Gesund­heits­schäden. Der 5G-Ausbau und neue Studien heizen sie weiter an. Lesen Sie, was die Wissenschaft weiß.

Ultra­schnell, unschlagbar, „unstrittig das Netz der Zukunft“. In höchsten Tönen preisen Anbieter die neueste, fünfte Mobil­funk­generation, 5G an. Kritiker fürchten hingegen, dass 5G die allgemeine Belastung durch tech­nisch erzeugte elektromagnetische Felder – oft „Elektrosmog“ genannt – deutlich erhöht. 5G führe zu „einer massiven Zunahme der Zwangs­exposition“, heißt es zum Beispiel in einem Appell von Wissenschaft­lern und Ärzten, die ein 5G-Moratorium fordern. Was ist dran an den Bedenken? Dieser Frage ist die Stiftung Warentest als unabhängige Verbraucher­organisation nachgegangen. Wir geben Antworten auf zehn wichtige Fragen rund um tech­nische Aspekte, gesundheitliche Folgen und Schutz­maßnahmen: Wie steht es um das Krebs­risiko? Was ist „Elektrosensibilität“? Was ändert sich durch 5G? Sind die Strahlungs-Grenz­werte für Sendemasten und Handys streng genug? Wir sagen, was Verbraucher selber zum Schutz vor Handy­strahlung tun können und bieten eine Link-Über­sicht zu allen zitierten Studien.

Geben Forschungs­erkennt­nisse Anlass zur Sorge?

Wir ließen Aussagekraft und metho­dische Qualität der neuen Tier­studien von Toxikologen begut­achten. Außerdem haben wir insgesamt die Studien­lage zu Mobil­funk und Gesundheit gesichtet. Dann erörterten wir unsere Fragen und Einschät­zungen mit einer Experten­runde. Daran nahmen Wissenschaftler und Ärzte teil – auch kritische – sowie Behörden­vertreter.

Fazit der Recherche: Die Forschungs­erkennt­nisse liefern kaum einen Grund zur Sorge. Wer vorbeugen will, kann selber einiges tun.

[Update: 05.09.2019]: Zur Kritik an unserem Bericht

Unser Artikel hat für Diskussionen unter unseren Lesern gesorgt. Die Haupt­vorwürfe von Kritikern lauten, wir seien industrie­nah, selektiv bei der Auswahl von Studien und intrans­parent. Hier unsere Stellung­nahme dazu:

Vorwurf Industrienähe: Die Stiftung Warentest arbeitet unabhängig von Herstel­ler­interessen, neutral, objektiv und ergebnis­offen. Unsere Einschät­zungen und Fragen zu Studien­ergeb­nissen erörterten wir mit einer Experten­runde aus Behörden­vertretern, Forschern und Ärzten, darunter auch kritischen. Unser im Artikel gegebenes Fazit ist Ergebnis dieses Prozesses.

Vorwurf Selektive Auswahl von Studien: Zu Gesund­heits­aspekten rund um Mobil­funk gibt es Tausende von Studien mit höchst unterschiedlichen Ergeb­nissen. Um daraus gebündelt Bilanz zu ziehen, nutzten wir für den Faktencheck möglichst aktuelle „Meta-Analysen“. Für eine Meta-Analyse werten Forscher die vorliegenden Unter­suchungen zu bestimmten Themen­gebieten systematisch aus und veröffent­lichen das Ergebnis in interna­tionalen Fachjournalen. Meta-Analysen haben damit eine weit­aus höhere Aussagekraft als Einzel­studien. Wenn wir Einzel­studien nutzen und benennen, dann wegen ihrer hohen Relevanz. Das gilt vor allem für die großen neuen Tier­studien (NTP, Ramazzini). Diese ließen wir gesondert von unabhängigen Toxikologen begut­achten: Übersicht der zitierten Quellen (inklusive Studien­typ).

Vorwurf Intrans­parenz: Der Bitte unserer Leser, das Gutachten zu den Tier­studien sowie die Teilnehmer unserer Experten­runde publik zu machen, können wir leider nicht nach­kommen. Den Experten haben wir im Vorfeld Vertraulich­keit zugesagt, ähnlich wie wir es auch bei unseren Expertengremien zu Produkt- und Dienst­leistungs­tests halten. Auch Gutachten geben wir aus Gründen der Vertraulich­keit und zum Schutz unserer Prüf­institute nicht heraus. [Ende Update]

Elektromagnetische Felder – ein weites Spektrum

Menschen sind tagtäglich von elektromagnetischen Feldern umgeben – natürlichen sowie künst­lich erzeugten. Mobil­funk sendet im unteren Mikrowellen­bereich. Diese Frequenzen sind viel nied­riger als die von sicht­barem Licht. Am oberen Ende der Skala liegt gefähr­liche Radio­aktivität.

Mobil­funk - Wie riskant ist Handy­strahlung? Ein Faktencheck

© Illustrationen: Stiftung Warentest / René Reichelt, Foto: iStockphoto

Schutz vor Hand­ystrahlung: Antworten auf wichtige Fragen

Vor Mobil­funk­strahlung schützen in Deutsch­land recht­liche Rege­lungen. Wer selbst noch etwas tun möchte, kann beim Handy ansetzen. Es ist viel „strahlen­intensiver“ als verwandte Quellen wie Sendemasten, WLan oder Bluetooth.

Mobil­funk - Wie riskant ist Handy­strahlung? Ein Faktencheck

© Stiftung Warentest

  • Sind die Grenz­werte für Mobil­funk streng genug? Grenz­werte gelten für Strahlung von Sendemasten und Handys, beruhen auf Empfehlungen der „Interna­tional Commission on Non-Ionizing Radiation Protection“ und sollen den Körper vor Schäden durch Erwärmung schützen. Kritiker halten das Gremium für industrie­nah und die Grenz­werte für zu hoch. Fest steht: Laut zwei recht neuen Studien aus Deutsch­land und der Schweiz erreicht die durch­schnitt­liche Belastung der Bürger die geltenden Grenz­werte bei Weitem nicht. Außerdem wird die Technik der Netze immer besser. Schon jetzt senden neue gebräuchliche Mobil­funk­stan­dards wie LTE mit weit geringerer Intensität als der ältere Stan­dard GSM.
  • Stehen zu viele Hand­ymasten in Deutsch­land? Mobil­funk­antennen beunruhigen viele Bürger – machen aber laut Studien nur einen Bruch­teil der Strahlenbelastung aus (siehe Prozent­angaben oben). Die Intensität sinkt mit steigender Entfernung zu Masten schnell, und in deren direkter Umge­bung gelten Sicher­heits­abstände. Handys befinden sich dicht am Körper und erzeugen das Gros der Belastung – vor allem beim Telefonieren, wenn die nächste Basis­station weit weg ist und sie für die Verbindung intensiv senden müssen. Daher kann eine hohe Zahl an Sendemasten sogar helfen, die Gesamt­aufnahme zu senken.
  • Was bedeuten die SAR-Werte für Handys? Das Kürzel steht für Spezi­fische Absorptions­rate und bezeichnet die Menge an Energie, die durch das sendende Handy vom naheliegenden Körpergewebe aufgenommen wird. Der gültige Höchst­wert beträgt 2 Watt pro Kilogramm. Hersteller ermitteln für jedes Hand­ymodell SAR-Werte mit stan­dardisierten Tests. Eine Liste der Werte veröffent­licht das Bundesamt für Strahlenschutz. Die Tests erfolgen jedoch bei maximaler Sende­leistung, die Handys kaum je erreichen. Über die tatsäch­liche Strahlenbelastung im Alltag sagt der SAR-Wert daher wenig aus.
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Kommentarliste

Nutzer­kommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.

  • BernieKHB am 07.06.2024 um 12:27 Uhr
    Gesundheitsschädlich? Handy/Tablet laden u nutzen?

    In jüngster Zeit sehe ich immer wieder Videos, in denen behauptet wird, dass es gesundheitsschädlich sei, ein Handy oder Tablet zu nutzen, während es aufgeladen wird. Während des Ladevorgangswürde extrem viel Strahlung vom Gerät ausgehen. Stimmt das?

  • Handonme am 11.01.2021 um 15:22 Uhr
    Marc Arazi

    Ein deutsches Messlabor in Saarbrücken hat im Auftrag der französischen Funknetzagentur ANFR im Mai 2017 die SAR-Werte eines Smartphones vom Typ "Orange Hapi 30" gemessen. Dabei stellte sich in der GSM900-Betriebsart eine Grenzwertüberschreitung um 5 Prozent heraus (2,1 W/kg). Dies führte zum Rückruf der Geräte und rief einen geschäftstüchtigen Mediziner auf den Plan, der aus dem Vorfall einen weltweiten "Phonegate-Skandal" entfachen möchte.
    Anfang März 2018 gründet in Frankreich der Arzt Dr. Marc Arazi den Verein "Phonegate Alert" (Satzung), der es sich zum Ziel setzt, den angeblichen "Phonegate-Skandal" weltweit mit einer französisch/englischen Website publik zu machen. Woher der Wind weht macht der "Wissenschaftliche Beirat" deutlich, der, angeführt von Devra Davis, neben einigen unbekannten Namen etliche einschlägig Bekannte aus der internationalen Anti-Mobilfunk-Szene auflistet, Deutsche sind nicht dabei. Mit diesem Personal entwertet sich Phonegate Alert – aus meiner Sicht – sel

  • Handonme am 11.01.2021 um 15:13 Uhr
    Prof. Martin Pall

    Pall has never performed any experimental research on EMF effects, his published papers on EMF are solely reviews of experimental works performed by others,
    Pall has never presented his “findings” in real scientific conferences such as e.g. yearly BioEM meetings organized by two bioelectromagnetics societies, he presents solely in meetings organized by EMF activists. This should make anyone wonder why, for the last 6 years when Pall begun to publish his reviews, he never went to real scientific meeting but presents his lectures solely to activist audiences.

  • Profilbild Stiftung_Warentest am 04.11.2019 um 10:12 Uhr
    Gegendarstellung

    @dietcoke: Zu den Hauptvorwürfen von Kritikern wie etwa diagnose-funk.org, wir seien industrienah, selektiv bei der Auswahl von Studien und intransparent, haben wir in unserem Update vom 5.9 auf dieser Seite Stellung genommen. (bp)

  • dietcoke am 03.11.2019 um 19:28 Uhr
    Gegendarstellung

    https://www.diagnose-funk.org/publikationen/artikel/detail?newsid=1471
    und lieber IZgMF. sie sind von der Industrie und könne nicht anders....