20.2.2024

Die toxische Mischung aus Sofortismus und Dauerunterbrechungen

Ob Homeoffice oder Büro. Wir lassen uns ablenken, weil wir es wollen. Die Zeitspanne zwischen Reiz und Befriedigung hat sich heute auf einen Tastendruck verkleinert. Der einzig akzeptable Zeitrahmen lautet SOFORT. Diese toxische Mischung aus Dauerunterbrechungen und Sofortismus wird immer schlimmer, sofern wir nichts dagegen unternehmen.

Ping. Ping. Eine neue Nachricht poppt leuchtend auf dem Display auf. Nur kurz geschaut und dann zurück zu dem Sitzungsprotokoll, das noch gelesen werden muss. Zwei Minuten später erscheint die Terminerinnerung: Online-Meeting mit dem Kunden in 15 Minuten. Oh, oh, die Zeit wird knapp. Jetzt aber! Smartphone auf lautlos gestellt, Bürotür geschlossen. Bloß nicht mehr ablenken lassen! Klopf. Klopf. Der Kollege schaut herein: „Tschuldigung, ich will dich nicht unterbrechen. Nur eine kurze Frage, dauert nicht lange …“

Störungen sind im beruflichen Alltag so allgegenwärtig wie die Luft zum Atmen. Kaum vertieft man sich in eine Aufgabe, schon meldet sich das Smartphone mit einem Summen, oder es trudelt eine dringliche Mail ein, die sofortige Aufmerksamkeit erfordert. Selbst vermeintlich kurze Fragen entpuppen sich oft als zeitaufwendige Angelegenheiten.

Diese Unterbrechungen sind durchaus sinnvoll, wenn beispielsweise ein Kollege mit einer dringenden Frage kommt und eine sofortige Antwort benötigt, um weiterarbeiten zu können. Gleiches gilt, wenn eine Nachricht auf dem Smartphone sofortige Beachtung erfordert, da es sich um einen zeitkritischen Prozess handelt, der umgehendes Handeln verlangt. Solche Unterbrechungen sind akzeptabel, wenn deine berufliche Rolle explizit darauf ausgerichtet ist, rund um die Uhr Fragen zu beantworten, Nachrichten zu verfassen und Mails zu bearbeiten.

Solche Störungen sind jedoch riesengroßes Problem, wenn dein berufliche Rolle einen anderen Schwerpunkt hat. In solchen Fällen werden die fortwährenden Unterbrechungen zu einem echten Dilemma, denn sie verhindern Fokussierung und das, was Professor Cal Newport „Deep Work“ nennt, also konzentriertes Arbeiten. Anders ausgedrückt: Wer ständig gestresst ist und keine vier Minuten am Stück ungestört bei einer Aufgabe bleiben kann, hat sich von seiner Rolle als Wertschöpfer*in verabschiedet!

Das bedeutet auch: Wer sich ständig unterbrechen lässt, zahlt doppelt drauf. Die Unterbrechung selbst, die wertvolle Konzentration schluckt – und die Zeit, die es benötigt, um sich nach einer Unterbrechung wieder auf die ursprüngliche Aufgabe zu fokussieren. Kein Wunder, dass wir uns ständig in Zeitnot fühlen, der Stresspegel steigt, die Qualität der Arbeit leidet, weil die ständigen Unterbrechungen extrem schädlich sind.

Fokus beginnt mit dem Wort NEIN.
Anja Förster

Und das bedeutet, es nicht zuzulassen, dass unsere Zeit durch eine Mischung aus Dauererreichbarkeit und ständiger Ablenkung „geschrumpft“ wird. Je mehr dauergehetzte Atemlosigkeit unser Leben bestimmt, desto wichtiger ist es, Zeiten der ablenkungsfreien Konzentration in den Alltag einzubauen. Arbeitsphasen, in denen wir uns tief und fokussiert auf eine Sache konzentrieren Wir haben es selbst in der Hand, das stattfinden zu lassen.

Die 90-Minuten-Medizin für „Deep Work“

Mein Vorschlag: ZFDB-Zeit am Vormittag. ZFDB steht für Zeit für die Birne!

Das bedeutet, dass am Vormittag keine Meetings stattfinden und die Arbeit der anderen nicht gestört wird. Es mag streng klingen, aber es bringt allen Beteiligten einen riesigen Nutzen. So können morgens ungestörte Arbeitsphasen für „Deep Work“ genutzt werden, während nachmittags Zeit für Meetings und alle aufkommenden Fragen bleibt. Ein weiterer Pluspunkt: Oftmals stellt sich heraus, dass das Warten auf die Antwort bis zum Nachmittag gar keine große Sache war. Gleichzeitig sind die zurückgewonnene Zeit und Konzentration für alle Beteiligten eine gigantische Sache.

Wer jetzt einwendet, dass ein ganzer Vormittag störungsfreies Arbeiten nicht machbar sei, dem empfehle ich: Versuch es mit der „kleinen Schwester“ des störungsfreien Vormittags – sie heißt „90 Minuten ohne Unterbrechung“. Ich beende meinen Tag konsequent damit, dass ich die wichtigste Aufgabe für den kommenden Tag definiere. Und am nächsten Morgen steht genau diese Aufgabe als erster Punkt auf meiner Agenda – für mindestens 90 Minuten. Ohne Unterbrechung. Ohne Pause. Wem das noch zu hochgegriffen erscheint, der kann noch eine Stufe niedriger beginnen: Warum nicht die 90 Minuten wenigstens einmal pro Woche ansetzen?

Mein Appell an alle Unternehmer und Führungskräfte: Tragt diese Idee in euer Team! Lasst eure Leute damit experimentieren. Findet die für euch passende Variante der ZFDB oder 90-Minuten-Medizin gegen Stress und niedrige Produktivität.

Ohne störende Unterbrechungen zu arbeiten reduziert nicht nur Stress und erhöht den Output, es macht auch sehr viel mehr Spaß!

Wenn dir dieser Beitrag gefallen hat, wird dir auch mein neues Buch gefallen: 7 Superkräfte

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Anja Förster schreibt über Wirtschaft & Management, Perspektiv-Wechsel, Innovation, Führung

Meine Mission ist es, Denkmauern einzureißen und den Horizont zu öffnen für eine neue Art zu leben und zu arbeiten. Meine Bücher sind Spiegel-, ManagerMagazin- und Handelsblatt-Bestseller und in über 10 Sprachen übersetzt worden.