B.Z.-Besuch bei dem Pfarrer aus Templin

VON WENDELIN GABRYSCH TEMPLIN – Kein Wort über Angela. Basta. Nur unter dieser Bedingung spricht ihr Vater, Horst Kasner, mit B.Z.. Er sagt: „Meine Tochter ist alt genug. Sie kann selbst über sich sprechen.“ Ich treffe Horst Kasner, 78, mitten im Wald. In einem kleinen Kirchlein zwischen uralten Linden. Alt-Placht. „Das ist mein Lieblingsort“, sagt er. Unter der Altardecke holt er eine Wünschelrute hervor und schreitet durch den Mittelgang. „Sehen Sie, wie sie ausschlägt? Hier liegt ein Kraftfeld. Hier haben schon slawische Schamanen einen Kultplatz errichtet.“

Er kämpfte gegen die gottlose Propaganda in der DDR Dieser Ort zieht Kasner magisch an. „Seit 1957 als ich mich hier niederließ“, sagt er. Er war damals freiwillig vom Westen in die DDR gezogen. „Für mich war das eine Verpflichtung“, erzählt er. „Ich stamme aus Berlin. Ich kehrte nach dem Theologie-Studium zurück, um gegen die atheistische und gottlose Propaganda des SED-Staates anzukämpfen.“ In Templin übernimmt Kasner die Fortbildung für evangelische Pfarrer. Herlind, seine Liebe aus Hamburg, hatte er gewarnt: „Paß auf, bevor du dich verliebst. Dann muß du mit mir in die Sowjetzone ziehen.“ Sie folgte ihm, mit Baby Angela im Körbchen.

Kasner ist ein Mann klarer Worte. „So hab‘ ich meine Kinder erzogen“, sagt er. „Man muß seinem Lebensentschluß treu bleiben und strikt seinen Weg gehen.“

Den ging er auch für das Waldkirchlein in Alt-Placht. Obwohl das Gebäude zu DDR-Zeiten verfiel und er hier auch nie Pastor werden wollte, setzte er sich die Renovierung des Gebäudes in den Kopf. Die gelang ihm nach dem Mauerfall.

„Nichts ist erfolgreicher als der Erfolg“ Heute ist das Waldkirchlein restauriert, und ein Besuchermagnet für Touristen und für Hochzeitspaare, die sich hier trauen lassen. Wie schafft man so was? Kasner: „Als ich den ersten Sponsor fand, war das ein kleines Wunder. Es beflügelte mich. Ich wußte: Wo Widerstand ist, ist auch ein Weg. Man muß Verbündete suchen, sie motivieren. Man muß Geduld haben. Denn es läuft nicht immer geradeaus.“

Kasner hat das Sieger-Gen. Sein Motto: „Nichts ist erfolgreicher als der Erfolg.“ Hat Angela Merkel dieses Gen geerbt? Die Bildung ihrer Kinder lag den Kasners sehr am Herzen. „Wir haben sie sehr liberal erzogen. Wir sagten: Die DDR war ja Zwang genug, daheim hatten wir ihnen Räume geöffnet. Im Rückblick denke ich, daß ich immer noch zu autoritär war.“

Nach der Wende ermutigte er seine Familie zur politischen Arbeit. „Egal wo“, sagt Kasner, „nur auf dem Boden des Grundgesetzes.“ Das Ergebnis: Seine Frau Herlind, heute 77, trat aus hamburgischer Tradition der SPD bei. Für sie kam die ehemalige DDR-Blockpartei CDU nicht in Frage. Sie war viele Jahre Vorsitzende des Kreistags. Sohn Marcus, 48, ging zu den Grünen. Der Weg von Angela, 50, bis zur Vorsitzenden der CDU, ist bekannt. Nur die jüngste Tochter Irene, 41, und Vater Horst blieben parteilos. Kasner: „Mein Beruf verpflichtet mich zur Neutralität. Als Pfarrer muß ich für alle Bürger da sein.“

„Als Pfarrer muß man für alle Bürger da sein“ Trotzdem engagiert er sich auch politisch: Er predigt zum Beispiel gegen tierquälerische Massentierhaltung („Tiere sind Mitgeschöpfe Gottes“), nimmt an „Ostermärschen“ gegen den geplanten Bundeswehr-Übungsplatz Ruppiner Heide teil. Kasner ist stolz auf sein Lebenswerk, auf sein Kirchlein, auf seine Kinder: „Als sie aus dem Haus waren, merkte ich erst, welch‘ große Schatten ich da geworfen habe.“

Irene ist erfolgreiche Ergotherapeutin, Marcus Physik-Professor in Magdeburg, Angela ist die erste Kanzlerkandidatin Deutschlands.

Ich sprach zwei Stunden mit Horst Kasner. Kein Wort über Angela Merkel. Dennoch wußte ich hinterher sehr viel mehr über sie, als ich geglaubt hätte.