Zum Wissenschaftsjahr 2018
2016 – Das Jahr der kuriosen Wal- und Delfinsichtungen

2016 – Das Jahr der kuriosen Wal- und Delfinsichtungen

Ein Expertenbeitrag von Fabian Ritter

2016 – Das Jahr der kuriosen Wal- und Delfinsichtungen

Expertenbeitrag von Fabian Ritter, Whale and Dolphin Conservation Im Jahr 2016 ist in Nord- und Ostsee wal- und delfintechnisch schon einiges los gewesen. Eine außergewöhnliche Sichtung reiht sich an die andere – leider in mehreren Fällen ohne Happy End für die betroffenen Ausreißer. Eine ganze Welle besorgniserregender Nachrichten aus der Nordsee ereignete sich gleich zu Beginn des Jahres: Im Januar wurde fast täglich von neuen Pottwalstrandungen berichtet. Insgesamt hat man 29 Tiere an verschiedensten Küstenstreifen der Nordsee gefunden – 16 davon in Deutschland. Die Gründe für die Strandungen sind nicht eindeutig geklärt.

Auch in der Ostsee gab es eine extrem seltene Sichtung. Im Öresund hatten Segler im Mai einen Pottwal beobachtet. Mit ihren Filmaufnahmen dokumentierten sie die erst zweite Pottwalsichtung in der Ostsee in diesem Jahrzehnt. 2004 wurde ein Pottwal vor der Küste von Sæby gesehen und später wurde ein Kadaver vor der Frischen Nehrung (Russland) gefunden tot aufgefunden. Insgesamt sind 10 Pottwal-Strandungen im erweiterten Ostseeraum dokumentiert.

Auch der einzige in der Ostsee heimische und stark bedrohte Wal, der Schweinswal, sorgte dieses Jahr immer wieder für Schlagzeilen. Es wurden viele Strandungen, vor allem sehr viele Lebendstrandungen, von Schweinswalen an deutschen Küsten gemeldet. Diese Serie scheint auch nicht abzureißen, denn erst kürzlich wurden wieder tote Tiere an deutschen Küsten gefunden.

Fabian Ritter ist seit 2012 wissenschaftlicher Berater und Kampagnenleiter bei der Organisation Whale and Dolphin Conservation (WDC), wo er sich insbesondere mit dem Schutz von Schweinswalen in deutschen und europäischen Gewässern beschäftigt.

Im Februar wurde zudem in der Ostsee ein Zwergwal (der kleinste Vertreter der Bartenwale) tot aufgefunden, nachdem er von einem Schiff erfasst worden war. Zwergwale kommen sporadisch in der Nordsee vor und werden äußerst selten in der Ostsee gesichtet. Weitaus bessere Überlebenschancen schreibt man den beiden Großen Tümmlern zu, die sich seit Mai 2015 in der Ostsee aufhalten – besser bekannt als „Selfie und Delfie“. Die zwei Delfine haben einen regelrechten Hype ausgelöst, da sie sich sehr publikumswirksam immer wieder in Küstennähe zeigten und zahlreiche Boote begleiteten. Nachdem sie sich länger in Deutschland bspw. in Kiel und Flensburg aufgehalten hatten, sind sie Ende April in Richtung Norden weiter gewandert und hielten sich zuletzt in Dänemark auf. Die beiden Männchen scheinen in einer guten gesundheitlichen Verfassung zu sein und in ihrem neu erschlossenen Lebensraum Ostsee genug Nahrung vorzufinden. Hinzu kommen Berichte über einen blau-weißen (Nordsee) und mehrere gewöhnliche Delfine, die ebenfalls weit außerhalb ihres normalen Verbreitungsraumes angetroffen wurden bzw. gestrandet sind. Und schließlich wurde Anfang August nahe Stralsund ein Buckelwal gesichtet, ebenfalls eine große Rarität in der Ostsee. Wahrscheinlich handelte es sich um dasselbe Tier, das einige Wochen zuvor in polnischen Gewässern aus einem Fischernetz befreit werden musste, in dem es sich tragischerweise verfangen hatte.

Wie es zu einer derartigen Häufung von kuriosen Sichtungen sowie Strandungen kommt, lässt sich schwer abschätzen. Es gibt eine Reihe von möglichen Ursachen. Dazu gehören das 2015/16 besonders extrem ausgefallene Wetterphänomen „El Niño“ sowie der Klimawandel im Allgemeinen. Der nordöstliche Atlantik ist in diesem Jahr vergleichsweise extrem warm und die damit einhergehende Veränderungen von Meeresströmungen sowie Nahrungsverteilung kann Wale oder Delfine schon einmal auf eine ‚falsche Fährte’ führen. Aber auch anthropogene Veränderungen der Lebensräume machen den Meeressäugern zunehmend zu schaffen. So könnten insbesondere auch Unterwasserlärm (die Nordsee ist ein sehr lautes Meer), Meeresverschmutzung und Kontamination durch Toxine, Überfischung oder Krankheiten der Tiere diese Abweichungen und Strandungen ausgelöst haben. Nicht zuletzt trägt auch der Einsatz moderner Technik einer besseren Dokumentation der Sichtungen bei.

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2016*17 – Meere und Ozeane.

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