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Gespräch mit Prokopis Pavlopoulos Griechenlands Präsident verspricht Rückzahlung aller Schulden

Der neue griechische Staatspräsident Pavlopoulos schließt einen Euro-Austritt seines Landes kategorisch aus. Im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE kündigt er zugleich eine Initiative zu möglichen deutschen Reparationszahlungen für Nazi-Verbrechen an.

Im Schuldenstreit zwischen Griechenland und seinen internationalen Geldgebern läuft die Zeit ab. Bis zum Juni muss eine Einigung gefunden werden, sonst droht die Pleite. Nun meldet sich Griechenlands neuer Staatspräsident Prokopis Pavlopoulos in dem Konflikt zu Wort. Er schließt einen Grexit aus und verspricht eine Rückzahlung aller Kredite. Zugleich übt er deutliche Kritik an den bisherigen Sparprogrammen.

"Ein Teil der uns auferlegten Maßnahmen ist nicht durch EU-Recht gedeckt", sagte Pavlopoulos SPIEGEL ONLINE bei einem Gespräch in seinem Amtssitz in Athen (Lesen Sie mehr zur Person unten). Man verlange lediglich, genauso behandelt zu werden wie andere Länder. "Wir wollen ein gleichberechtigtes Mitglied Europas sein."

Als problematisch sieht der Jurist unter anderem Kritik der internationalen Geldgeber am griechischen Mindestlohn und anderen Arbeitnehmerrechten. Auch in Deutschland gebe es schließlich ein Existenzminimum. "Wir verlangen nur, was das Bundesverfassungsgericht auch als ein etabliertes soziales Recht der Deutschen sieht." Teile der Sparprogramme seien zudem "überhaupt nicht wachstumsfreundlich gewesen, sondern haben die griechische Wirtschaft auf Rezessionskurs gebracht".

Pavlopoulos stammt aus der konservativen Partei Nea Dimokratia und ist seit März im Amt. Zu Beginn seiner politischen Karriere war er Rechtsberater von Ex-Premierminister Konstantinos Karamanlis, unter dessen Führung der Übergang von der Militärdiktatur zur europäischen Demokratie gelang. Es ist das erste Mal, dass sich der neue Präsident gegenüber einem deutschen Medium zu dem Euro-Schuldenstreit äußert.

Präsident Pavlopoulos, Griechen-Premier Tsipras: "Technokraten entscheiden"

Präsident Pavlopoulos, Griechen-Premier Tsipras: "Technokraten entscheiden"

Foto: Aris Messinis/ AP

"Griechenland hat in den Siebzigern sehr gekämpft, um Teil von Europa zu werden", so Pavlopoulos. Für ihn sei "ein Griechenland außerhalb Europas unvorstellbar". Das gelte auch für einen Grexit, also das mögliche Ausscheiden aus der Eurozone. "Ein Grexit kommt mir nicht einmal in den Sinn."

Die Finanzlage von Griechenland ist jedoch äußerst angespannt, mittlerweile zwingt die Regierung sogar Krankenhäuser, Universitäten und Behörden, ihre Geldreserven an die Zentralbank zu überweisen. Pavlopoulos versicherte, sein Land werde alle Verpflichtungen erfüllen. "Wir zahlen unsere Schulden bis zum letzten Euro zurück. Wir müssen einen ausgeglichenen Haushalt beibehalten und langsam unsere Schulden reduzieren." Der Präsident zeigt sich optimistisch, dass der Schuldenstreit noch beigelegt werden kann. Die Verhandlungen über ein neues Hilfsprogramm befänden sich "auf der Zielgeraden".

Das sehen viele EU-Politiker völlig anders, auch das jüngste Euro-Finanzministertreffen blieb ohne jedes greifbares Ergebnis. Pavlopoulos vermutet hinter den Problemen eine Verschiebung der Machtverhältnisse. "Meiner Ansicht nach fällen zunehmend Technokraten anstelle von Politikern die Entscheidungen."

Die Aufnahme von Griechenland in die EU hätten der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) und Frankreichs Präsident Valéry Giscard d'Estaing noch gegen Bedenken der EU-Kommission durchgesetzt, argumentiert Pavlopoulos. Beim Euro-Beitritt sei es später ähnlich gewesen. "Ich glaube, in bestimmten Fragen sollte Europa politische Entscheidungen fällen und die Technokraten übergehen, wenn deren Sicht den großen langfristigen Zielen der EU widerspricht."

Im Gegensatz zu ihren Amtsvorgängern muss Bundeskanzlerin Angela Merkel heute allerdings auch milliardenschwere Hilfskredite an Griechenland verantworten. Sie und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) wollen sich angesichts von Griechenlands dramatischer Haushaltslage nicht auf vage Zusagen verlassen. Viele Griechen sehen sie deshalb als Spardiktatoren.

Präsident Pavlopoulos, SPIEGEL-ONLINE-Mitarbeiter Nelles, Böcking und Christides in Athen

Präsident Pavlopoulos, SPIEGEL-ONLINE-Mitarbeiter Nelles, Böcking und Christides in Athen

Foto: SPIEGEL ONLINE

Auch Pavlopoulos hatte die deutsche Krisenpolitik vor seiner Wahl zum Präsidenten deutlich kritisiert. Die Bundesrepublik habe die eigenen politischen und wirtschaftlichen Ziele über die europäische Integration gestellt, schrieb er in einem Essay. Angela Merkel mangele es aufgrund ihrer ostdeutschen Wurzeln an Verständnis für die Bedeutung der europäischen Idee.

Im neuen Amt schlägt Pavlopoulos deutlich versöhnlichere Töne in Richtung Deutschland an. "Ich glaube, sie wollen ein europäisches Deutschland und kein germanisiertes Europa", sagte er über Merkel und Schäuble. Zu Letzterem pflege er aus der gemeinsamen Zeit als Innenminister ein "sehr gutes Verhältnis". Im Übrigen sei er "immer ein freier Geist gewesen. Und ich glaube, ich kann mich offen an ein Land wenden, für das ich großen Respekt und Liebe empfinde".

Offen sprechen will der griechische Präsident auch mit seinem deutschen Amtskollegen Joachim Gauck. "Ich werde sobald wie möglich Deutschland besuchen", sagte Pavlopoulos SPIEGEL ONLINE. Dabei soll es auch um die griechische Forderung nach Reparationen für NS-Verbrechen gehen, die Pavlopoulos seit Langem unterstützt. Gauck hatte sich bei einem Griechenland-Besuch im vergangenen Jahr für deutsche Kriegsverbrechen entschuldigt, jedoch keine Zusagen zu möglichen Reparationen gemacht.

Gaucks Äußerungen seien wichtig gewesen, sagt Pavlopoulos. Er glaube jedoch ebenso wie angesehene deutsche Juristen, dass die griechischen Forderungen "juristisch valide sind und wir das Recht haben, sie auf legalem Wege durchzusetzen". Man müsse ein gemeinsames Forum finden, um die Reparationsfrage zu verhandeln - beispielsweise den Internationalen Gerichtshof in Den Haag. "So klären zivilisierte Länder ihre Meinungsverschiedenheiten."

Die Drohungen griechischer Politiker, wonach im Reparationsstreit deutscher Staatsbesitz in Griechenland beschlagnahmt werden könnte, wies Pavlopoulos deutlich zurück. "Lassen Sie mich betonen, dass kein vernünftiger Mensch in Griechenland einseitige Handlungen erwägt." Eine Pfändung deutschen Eigentums komme nicht in Frage. "Solche Äußerungen sind Nonsens." Offen zeigte sich der Präsident für die Möglichkeit, griechische NS-Opfer individuell über eine Stiftung zu entschädigen. "Darüber können wir prinzipiell sprechen."

Zur Person
Foto: ALKIS KONSTANTINIDIS/ REUTERS

Prokopis Pavlopoulos, Jahrgang 1950, ist seit März 2015 griechischer Staatspräsident. Er wurde mit den Stimmen des linken Syriza-Bündnisses, aber auch mit Stimmen der Konservativen gewählt. Pavlopoulos studierte Verfassungs- und Verwaltungsrecht in Paris. In Athen war er Professor an der Universität und Berater mehrerer konservativer Ministerpräsidenten. Er gilt als überzeugter Europäer.