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Syphilis

RKI-Ratgeber

Präambel

Die Herausgabe der RKI-Ratgeber erfolgt durch das Robert Koch-Institut (RKI) auf der Grundlage des § 4 Infektionsschutzgesetz (IfSG). Zielgruppe der RKI-Ratgeber sind Fachkreise, u.a. Ärztinnen und Ärzte, medizinisches Fachpersonal und der Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD). Informationen zu wichtigen Infektionskrankheiten sollen aktuell und konzentriert der Orientierung dienen. Die Beiträge werden in Zusammenarbeit mit den Nationalen Referenzzentren (NRZ), Konsiliarlaboren (KL) sowie weiteren Expertinnen und Experten erarbeitet. Die RKI-Ratgeber sind auf der Internetseite des RKI (www.rki.de/ratgeber) abrufbar. Neu erstellte RKI-Ratgeber und deutlich überarbeitete Folgeversionen werden im Epidemiologischen Bulletin (www.rki.de/epidbull) veröffentlicht.

Letzte Aktualisierung des Ratgebers vom November 2020. Erstveröffentlichung im Epidemiologischen Bulletin 30/2003.

Erreger

Treponema (T.) pallidum (subspecies pallidum), der Erreger der venerischen Syphilis, gehört zur Gattung Treponema in der Familie der Spirochaetaceae und ist für den Menschen obligat pathogen. Das gramnegative Bakterium ist spiralig gewunden und zeigt im Lichtmikroskop (Dunkelfeld) Rotationen um die Längsachse sowie Beugebewegungen ohne selbständige Fortbewegung. T. pallidum färbt sich nur schlecht durch Anilinfarben an (pallidum = bleich). Es überlebt außerhalb des Körpers nur kurze Zeit, länger unter reduzierter Sauerstoffspannung (mikroaerophil). In gekühlten Blutkonserven waren noch nach 5 Tagen vitale Treponemen nachweisbar. Humanpathogene Treponemen galten lange Zeit als nicht anzüchtbar. 2018 wurde erstmalig ein Verfahren zur Langzeit-in-vitro-Kultur von T. pallidum subspecies pallidum veröffentlicht.

Die Gattung Treponema umfasst pathogene und apathogene Arten: humanpathogen sind neben T. pallidum ssp. pallidum die Erreger der nichtvenerischen Treponematosen, die außerhalb Europas vorkommen. T. pallidum ssp. endemicum verursacht die endemische Syphilis oder Bejel (Nordafrika, Mittlerer Osten), T. pallidum ssp. pertenue verursacht die Frambösie (Afrika, Lateinamerika, Asien) und Treponema carateum verursacht die Pinta (Zentral- und Südamerika). Nichtpathogene Arten – T. denticola, T. minutum, T. refringens, T. vincentii und T. phagedenis – sind im Oral-, Anogenital- und Intestinaltrakt innerhalb der normalen Flora zu finden. T. denticola spielt eine Rolle bei der Pathogenese der Parodontitis. Die apathogenen Spirochäten sind länger als die pathogenen Arten und weisen weniger Windungen auf.

Vorkommen

Die venerische Syphilis, die am häufigsten durch sexuelle Kontakte übertragen wird, gehört zu den weit verbreiteten Infektionskrankheiten. Seit Ende der Siebzigerjahre bis Anfang der Neunzigerjahre war weltweit und auch in Deutschland ein Rückgang der Syphilis-Meldungen zu verzeichnen, der sich mit dem Auftreten von AIDS (Mitte der Achtzigerjahre) weiter beschleunigte. Nach der Einführung einer nicht-namentlichen Labormeldepflicht für Syphilis-Diagnosen durch das IfSG stieg in Deutschland die Zahl der gemeldeten Infektionen, die den Fallkriterien des RKI entsprachen, zwischen den Jahren 2001 und 2004 zunächst an. Zwischen den Jahren 2004 und 2008 stabilisierten sich die Meldezahlen für Syphilis auf einem Niveau zwischen 3.000 und 3.500 Fällen pro Jahr. Im Jahr 2009 sank die Anzahl der gemeldeten Syphilis-Fälle, seit 2010 stieg sie – abgesehen von einem leichten Abfall im Jahr 2018 - kontinuierlich auf knapp 8.000 Fälle im Jahr 2019 an. Aktuelle epidemiologische Daten werden jährlich veröffentlicht (siehe: >> Infektionsepidemiologisches Jahrbuch und >> Epidemiologisches Bulletin 50/2019]. Die Syphilis-Inzidenz ist in großstädtischen Ballungszentren deutlich höher als in ländlicheren Regionen, wo Syphilis-Infektionen aber trotzdem durchaus vorkommen. Der weit überwiegende Anteil von Infektionen wird bei Männern diagnostiziert (>90%). Bei Frauen ist die Altersgruppe der 25-29-Jährigen, bei Männern die der 30-39-Jährigen am häufigsten betroffen. Der überwiegende Anteil von Infektionen bei Männern wird von Männern, die Sex mit Männern haben (MSM), erworben. Bei Frauen erfolgen Infektionen ganz überwiegend auf heterosexuellem Weg. Bei konnatalen Syphilis-Infektionen handelt es sich in Deutschland um Einzelfälle (seit 2001 zwischen einem und sechs Fällen pro Jahr).

Der seit 2010 zu beobachtende Anstieg von Syphilis-Fällen ist zum größten Teil durch einen Anstieg von Infektionen bei MSM bedingt. Eine kombinierte Analyse der Syphilis-Meldedaten und von Studiendaten mehrerer Wellen einer umfangreichen Studie zu Wissen, Einstellungen und Verhalten von MSM in Deutschland ergab als wichtigen Grund Veränderungen im Sexualverhalten als Resultat neuerer Risiko-Minimierungsstrategien bezüglich HIV (u.a. Verzicht von Kondomen bei HIV-serokonkordanten Partnern, effektive Viruslastunterdrückung, Prä-Expositionsprophylaxe gegen HIV). Auch durch erweiterte Möglichkeiten der Online-Partnersuche stiegen die Zahl wechselnder Partner und der Anteil riskanter sexueller Kontakte wieder an.

Angaben zu einer HIV-Koinfektion werden seit dem Jahr 2016 erhoben. Seitdem wurde etwa bei der Hälfte der gemeldeten Syphilis-Infektionen von MSM eine HIV-Koinfektion angegeben. Syphilitische Ulzera begünstigen das Zustandekommen einer Infektion mit HIV, zudem kann eine floride Syphilis den Verlauf einer HIV-Infektion ungünstig beeinflussen und umgekehrt. So ist bei einer HIV-Koinfektion das Risiko für die Ausbildung einer Neurosyphilis (>> siehe unten) erhöht. Außerdem sind diagnostische Besonderheiten bei vorliegender HIV-Koinfektion zu beachten.

Ausführliche epidemiologische Einschätzungen der Meldedaten entnehmen Sie bitte den Jahresberichten zur Syphilis im Epidemiologischen Bulletin.

Reservoir

Einziges Reservoir des Erregers ist der Mensch.

Infektionsweg

T. pallidum wird am häufigsten durch direkte sexuelle Kontakte übertragen und dringt dabei durch Mikroläsionen der Schleimhaut oder Haut in den Organismus ein. Geschlechtsverkehr mit einem infizierten Partner führt in etwa 30% der sexuellen Kontakte zu einer Infektion. Übertragungsvorgänge durch kontaminierte Nadeln oder andere kontaminierte Gegenstände sind selten. Übertragungen durch Bluttransfusionen sind durch systematische Testung aller Spenden extrem selten und in Deutschland seit über 20 Jahren nicht mehr berichtet worden. Eine diaplazentare Übertragung von einer infizierten Mutter auf ihr ungeborenes Kind ist möglich.

Inkubationszeit

Die Inkubationszeit beträgt durchschnittlich 14-24 Tage, kann aber auch zwischen 10 und 90 Tagen liegen.

Dauer der Ansteckungsfähigkeit

  • Hochinfektiös sind Patienten mit Syphilis im Stadium I,
  • infektiös im Stadium II,
  • im Stadium III besteht trotz schwerwiegender Krankheitserscheinungen keine Infektiosität mehr.

Die Ansteckungsfähigkeit ist ohne Behandlung damit für die Dauer der Stadien I und II (s. klinische Symptomatik) durchgängig gegeben.

Klinische Symptomatik

Nur etwa die Hälfte aller Infektionen mit T. pallidum führt zu einem symptomatischen Verlauf. Die akute Infektion (symptomatisch wie asymptomatisch) kann in einen chronischen Prozess übergehen, der durch mehrere Stadien hindurch verschiedene Organsysteme betreffen kann. Bei etwa 30% der unbehandelten Syphilisfälle tritt im Laufe von Jahren eine Spontanheilung ein.

Der klinische Verlauf der Erkrankung wird eingeteilt in die Frühsyphilis und die Spätsyphilis. Die Frühsyphilis (bis ein Jahr nach Infektion) umfasst die primäre Syphilis (Lues I), in der die Krankheitsmanifestationen am Ort des Eindringens lokalisiert sind, und die sekundäre Syphilis (Lues II) mit generalisierten Krankheitserscheinungen.

Zur Spätsyphilis (ab einem Jahr nach Infektion) zählen die tertiäre Syphilis (Lues III) und die Neurosyphilis, auch als quartäre Syphilis bezeichnet.

Latente Syphilis (Lues latens): Neben den klinischen Stadien der Lues II und Lues III wird die durch serologische Befunde definierte früh latente und spät latente Syphilis unterschieden. Bis zu einem Jahr nach Infektion liegt bei fehlenden klinischen Befunden eine früh latente Syphilis, danach eine spät latente Syphilis vor

Eine gezielte Anamnese ist neben der klinischen Untersuchung wichtig, um die klinischen und serologischen Befunde korrekt zu bewerten und die Therapie optimal zu gestalten. Zur Ermittlung des Infektionszeitpunktes können sowohl Daten einer möglichen Exposition als auch Angaben zu früheren Krankheitssymptomen (z.B. Exanthem, Ulkus durum), die damals u.U. verkannt wurden und zu keiner Therapie geführt haben, hilfreich sein.

Symptomatik der Erkrankungsstadien:

Primären Syphilis (Lues I): eine derbe Induration an der Eintrittspforte des Erregers, aus der im Verlauf ein schmerzloses Ulkus entsteht (Synonyme: Primäraffekt, Ulkus durum, harter Schanker), sowie regionale Lymphadenopathie. Das Ulkus durum bildet mit den geschwollenen Lymphknoten den sog. Primärkomplex. Der Primäraffekt beginnt als Papel in Gestalt eines derben hirsekorngroßen Knotens. Daraus entsteht das Ulkus durum mit einem scharfen abgesetzten wallartigen Rand und geringgradig eingesunkenem Zentrum. Im Gegensatz zum Ulkus molle bestehen keine unterminierten Ränder. Beim Mann sind meist die Glans penis und der Sulcus coronarius, bei der Frau häufig die Labien betroffen. In dieser typischen Lokalisation sind die Ulzera in der Regel schmerzlos. Je nach Art der ausgeübten Sexualpraktiken finden sich extragenitale Primäraffekte aber auch an den Lippen, in der Mundhöhle und im Rachen sowie am Anus und im Rektum; diese extragenital lokalisierten Ulzera können schmerzhaft sein. Der Primäraffekt heilt nach 4-6 Wochen spontan ab. Charakteristisch für die regionale Lymphknotenschwellung sind das langsame Anschwellen der Lymphknoten, die geringe Schmerzhaftigkeit, das Fehlen von Entzündungszeichen und Einschmelzungen. Differenzialdiagnostisch sollte an Herpes genitalis, Karzinome und Ulkus molle gedacht werden. Ohne Therapie ist der Übergang in weitere Stadien möglich.

Sekundäre Syphilis (Lues II): Diese Phase der hämatogenen und lymphogenen Aussaat beginnt 4-10 Wochen nach der Infektion und kann durch eine vielfältige klinische Symptomatik gekennzeichnet sein. Zu Beginn des Sekundärstadiums können Fieber, Müdigkeit, Kopf-, Gelenk- oder Muskelschmerzen auftreten. Gleichzeitig besteht fast immer eine harte Schwellung vieler Lymphknoten (Polyskleradenitis). Es folgen spezifische Exantheme und Enantheme, Syphilide genannt, mit einer hohen Variabilität. Typischerweise tritt ein erst stammbetontes, oft kaum erkenntliches masernähnliches Exanthem ohne Juckreiz auf (makulöses Syphilid oder Roseola). Dieses Exanthem tritt charakteristisch für die Syphilis an den Handflächen und den Fußsohlen auf, ist aber nicht darauf beschränkt bzw. kann auch fehlen. Differenzialdiagnostisch sollte an eine Pityriasis rosea, Psoriasis, ein Arzneimittelexanthem, aber auch an akute Virusexantheme (HIV-Infektion!) gedacht werden. Bei ungewöhnlich schlechter immunologischer Abwehrlage können frühzeitig ulzerierende und nekrotisierende Herde auftreten (Lues maligna). Während des Sekundärstadiums können über 1 bis 3 Wochen Rezidivexantheme auftreten. Diese verlieren immer mehr ihre charakteristischen Eigenschaften, sind oft mehr papulös als makulös, können sich gruppieren (serpiginöse Formen, Lichen syphiliticus und korymbiformes Syphilid) und konfluieren. Erste Exanthemstellen bleiben von den Rezidiven verschont.

Im Kopfhaarbereich kann es zu mottenfraßartigem Haarausfall kommen (Alopecia specifica areolaris). Dort und besonders im Bartbereich treten himbeer- bis blumenkohlähnliche Papillome auf (frambösi¬formes Syphilid). Im Bereich der seitlichen Halsabschnitte beobachtet man häufig postinflammatorische Depigmentierungen („Halsband der Venus“). Innerhalb der Mundhöhle können sich verschiedene Plaques bilden (düsterrote Plaques muqueuses, gefurchte Plaques lisses auf der Zunge, derbe weißliche Leukoplakia oris). Begleitend kann es zum Auftreten einer Angina specifica kommen.

Neben den Syphiliden der Hohlhand oder der Fußsohlen (Palmoplantarsyphilide) beobachtet man häufiger übermäßige Hornhautbildung (Clavi syphilitici). Im Bereich der intertriginösen Areale können sich derbe Papeln bilden, die später zu erregerreichen vegetierenden Papelbeeten konfluieren (Condylomata lata). Etwa 2 Jahre nach Infektion klingen die Hauterscheinungen ab (Lues latens seropositiva).

Tertiäre Syphilis (Lues III): Bei unbehandelter und nicht spontan ausgeheilter Frühsyphilis können nach einer bis zu mehreren Jahren dauernden Phase ohne klinische Symptomatik (Lues latens) folgende Erscheinungen auftreten:

  • tuberöse Hautveränderungen (Lues tuberosa),
  • ulzerierende granulomatöse Veränderungen, sog. Gummen, die in jedem Organ auftreten können (Lues gummosa),
  • kardiovaskuläre Veränderungen (Mesaortitis luetica, Aneurysmen).

Bei der Lues tuberosa sieht man gruppiert liegende, oft halbmondförmige, plane, flach erhabene oder tuberöse Effloreszenzen. Es kommt zu einem bogenförmigen, zentrifugalen weiteren Wachstum der Hautveränderungen mit zentraler Rückbildung und Atrophie oder Ulzerationen (tuberoulzeroserpiginöses Syphilid) mit teils austernschalen¬artiger Krustenbildung. Wichtig ist die Abgrenzung gegenüber dem Lupus vulgaris, der Sarkoidose und der Mycosis fungoides. Bei der Lues gummosa treten subkutane schmerzlose Tumore von deutlich elastischer Konsistenz auf. Es folgt die zentrale langsam fortschreitende Einschmelzung (Gumma) und Entleerung einer fadenziehenden, käsigkrümeligen Flüssigkeit. 10-30 Jahre nach Infektion kann es zur Spontanruptur luetischer Aneurysmen der Aorta kommen. Durch die Penicillintherapie ist die tertiäre Syphilis heute selten geworden.

Neurosyphilis (Quartäre Syphilis, Lues IV): Unter Neurosyphilis werden die Manifestationen der Spätsyphilis am ZNS zusammengefasst. Diese waren selten geworden, haben aber heute durch das nicht allzu seltene Zusammentreffen von Syphilis und HIV-Infektion eine aktuelle Bedeutung erlangt. Bei 15-40% der unbehandelten Patienten können nach langjährigem Verlauf der Infektion Treponemen im Liquor nachgewiesen werden. Unterschiede ergeben sich nach den betroffenen Abschnitten des ZNS.

Formen einer ZNS-Beteiligung:

  • asymptomatische Neurosyphilis;
  • Tabes dorsalis, Folge einer Degeneration der Hinterstränge des Rückenmarks, die bei einem Drittel der unbehandelten Neurosyphilis-Fälle durchschnittlich 20 Jahre nach Erstinfektion auftritt; typisch sind in Unterbauch und Beine einschießende Schmerzen sowie Sensibilitätsverluste;
  • syphilitische Meningitis mit Hirnnervenparesen oder intrakranieller Drucksteigerung, gekennzeichnet durch eine aseptische Meningitis, entzündliche Liquorveränderungen und spezifischen Antikörpernachweis im Liquor und Blut. Bei chronischer Meningitis können eine meningovaskuläre Syphilis des Spinalkanals mit Parästhesien bzw. Paraplegie oder eine vaskuläre Syphilis mit Hemiparesen oder -plegie, Aphasie oder Krampfanfällen entstehen. Bei fehlender Behandlung entwickelt sich nach 15-20 Jahren eine parenchymatöse Syphilis (progressive Paralyse) mit zahlreichen neurologischen und psychiatrischen Auffälligkeiten (typisch ist das Argyll-Robertson-Phänomen, d.h. die Beeinträchtigung der Lichtreaktion bei erhaltener Konvergenzreaktion). Im Vordergrund steht das hirnorganische Psychosyndrom. Unbehandelt führt die progressive Paralyse nach 4-5 Jahren zum Tod (diagnostisch ist eine CT-Untersuchung hilfreich).

Besonderheiten des Verlaufs bei einer HIV-Infektion: Bei retrospektiven Untersuchungen fiel auf, dass HIV-positive Syphilispatienten häufiger an einer Syphilis maligna und einer Neurosyphilis erkrankten. Die sonst selten gesehene Syphilis maligna wurde bei HIV-Infektion bisher unter dem Bild eines pustulo-nekrotischen Syphilids, einer Rupia syphilitica (austernschalenartige Krustenbildung) oder am häufigsten eines Ecthyma syphiliticum gesehen. Gleichzeitig bestehen häufiger Allgemeinsymptome wie erhöhte Temperaturen oder Abgeschlagenheit, wobei eine Skleradenitis fehlt. Die Latenzzeit zwischen Stadium II und der Tertiärsyphilis ist bei HIV-positiven Patienten oft stark verkürzt.

Sonderform Lues connata: Die transplazentare Infektion des Föten kann in jedem Stadium der Gravidität und in jedem Lues-Stadium der nicht oder ungenügend behandelten Mutter erfolgen. Das Transmissionsrisiko für den Föten ist von der Treponemenkonzentration im mütterlichen Blut abhängig, die mit zunehmender Dauer der Infektion absinkt. Die Übertragungsrate ist daher umso höher, je kürzer die Infektion der Schwangeren zurückliegt. Infiziert sich die Mutter während der Schwangerschaft, beträgt die Übertragungsrate bis zu 100%. Die meisten Schwangeren, bei denen eine Lues diagnostiziert wird, befinden sich im Stadium einer Lues latens. Die intrauterine Infektion durch Treponema pallidum führt bei ausbleibender Therapie in etwa 30-40% der Fälle zum Abort, zur Totgeburt oder zum Exitus letalis kurz nach der Geburt oder der Frühgeburt. Ein wesentlicher Anteil der Kinder ist bei der Geburt unauffällig, die meisten erkranken aber innerhalb der ersten 8 Lebensmonate.

Bei der Lues connata werden zwei Phasen unterschieden:

  • Lues connata präcox (Neugeborene und  Säuglingsalter):
    Etwa 50-60% der infizierten Kinder sind bei der Geburt unauffällig. Nur ein kleiner Teil zeigt unmittelbar post partum klinische Symptome (meist Frühgeborene), z.B. das Atemnotsyndrom des Neugeborenen („Respiratory Distress Syndrom of the Newborn“), Ödeme, Hydrops, Hepato- bzw. Hepatosplenomegalie, Hauteffloreszenzen, geblähtes Abdomen, Anämie, Ikterus. Ab der 3.-10. Lebenswoche treten Symptome wie z.B. Fieber, makulopapulöse oder vesikuläre Effloreszenzen (meist an Handinnenflächen und Fußsohlen), Petechien, Fissuren, Blässe, Ikterus, Ödeme, Hepato- bzw. Hepatosplenomegalie, Rhinitis, nachlassende Trinkleistung, Schleimhautulzera, Pseudoparalyse, Lymphknotenschwellung, Condyloma lata, Enteritis oder Laryngitis auf. Klinische Symptome einer Meningitis treten meist erst zwischen dem 3. und 6. Lebensmonat auf. Die ZNS-Beteiligung kann sich auch als Hydrozephalus, durch Hirnnervenausfälle oder Krampfanfälle manifestieren.
  • Lues connata tarda (ab dem 3. Lebensjahr):
    Im Kleinkind- oder späteren Kindesalter können bei unbehandelter Lues klinische Symptome an verschiedenen Organen auftreten, z.B. Uveitis, interstitielle Keratitis, sog. Tonnenzähne, Schwellung der Kniegelenke, Veränderungen an Tibia, Gaumen, Stirn, Nase („Sattelnase“), Taubheit, Rhagaden (perioral, perinasal, perianal), Hydrozephalus, Hirnnervenausfälle oder Krampfanfälle.

Diagnostik

Direktnachweis des Erregers: Bei einem genitalen Primäraffekt oder bei Condylomata lata kann der Direktnachweis der lebenden Spirochäten mittels Dunkelfeldmikroskopie versucht werden. Die Technik ist nicht geeignet für Untersuchungsmaterialien anderer Herkunft wegen der möglichen Kontamination mit kommensalen Treponemen. Sensitivere Verfahren sind der immunhistoschemische Erregernachweis unter Verwendung polyklonaler Antikörper gegen Treponema pallidum in Haut, Schleimhaut und Gewebeläsionen sowie die PCR (polymerase-chain-reaction) zur Frühdiagnose bei Primäraffekten, insbesondere auch zur Untersuchung von Materialien aus dem Oropharynx und Rektalbereich.

Antikörpernachweis: In aller Regel erfolgt die Diagnose der Syphilis serologisch. Es wird grundsätzlich empfohlen, wegen methodisch-technisch bedingter Unterschiede Erstbefunde und Verlaufskontrollen im gleichen Labor durchführen zu lassen. Eine Abgrenzung der venerischen Syphilis gegen die nichtvenerischen Treponematosen ist mit keinem serologischen Test möglich. Bei der Serodiagnostik der Syphilis sind grundsätzlich zwei unterschiedliche Antikörpergruppen zu unterscheiden: Antikörper gegen ein unspezifisches Antigen (z.B. Cardiolipin-Cholesterin-Lecithin-Antigen) und spezifisch gegen Treponemen gerichtete Antikörper. Die Tests zum Nachweis spezifischer Antikörper sollten als Such- und Bestätigungstests eingesetzt werden. Der Nachweis der unspezifischen Cardiolipinantikörper wie auch der treponemenspezifischen IgM-Antikörper dienen der Beurteilung der Aktivität und ggf. Behandlungsbedürftigkeit der durch die anderen Verfahren gesicherten Treponemeninfektion.

Syphilis-Ausschlußdiagnostik: Als Suchtest bewährt haben sich der TPHA- und der TPPA-Test (Treponema pallidum-Hämagglutinations- bzw. Partikelagglutinationstest). Diese Tests zeigen in der Regel 2-3 Wochen nach der Infektion ein positives Ergebnis, das in den meisten Fällen lebenslang bestehen bleibt. Alternativ können vergleichbar sensitive und spezifische Testverfahren, die simultan IgG- und IgM-Antikörper erfassen, z.B. polyvalente Chemilumineszenz- (CIA) oder Enzymimmunoassays (EIA, ELISA) angewendet werden. Bei negativem Resultat entfallen weitere Untersuchungen. Es kann davon ausgegangen werden, dass zum Zeitpunkt der Probennahme entweder keine Treponemeninfektion vorgelegen oder diese sich im noch nicht seroreaktiven Frühstadium befunden hat. Bei entsprechender Fragestellung kann versucht werden, die im Verlaufe der Infektion früh auftretenden IgM-Antikörper gezielt nachzuweisen, z.B. mit dem 19S-IgM-FTA-ABS-Test oder IgM-EIA. Bei negativem Befund und weiter bestehendem Verdacht auf eine Frühsyphilis sollte der Suchtest nach 1-2 Wochen, ggf. auch mehrfach wiederholt werden. Erst nach 8-10 Wochen kann bei eindeutig negativen Ergebnissen eine primäre Syphilis ausgeschlossen werden.

Syphilis-Bestätigungstest: Bei fraglichem oder positivem Suchtest ist eine weitere Absicherung der Spezifität des Befundes erforderlich. International gebräuchlich ist hierfür der Fluoreszenz-Treponema pallidum-Antikörper-Absorptions- (FTA-ABS-) Test. Die hohe Testspezifität wird dadurch erreicht, dass vor der eigentlichen Testdurchführung potenziell kreuzreagierende Antikörper durch den Zusatz eines Absorbens mit T. phagedenis-Antigen eliminiert werden. Der FTA-ABS-Test erfasst als polyvalenter Test simultan IgG- und IgM-Antikörper und wird ebenfalls in der Regel 2-3 Wochen nach Infektion positiv. Bei TPHA-/TPPA-Screening können auch auf einem anderen Methodenkonzept basierende polyvalente Immunoassays (CIA, EIA) und vice versa bei Immunoassay-Screening der TPHA-/TPPA zur Absicherung der Befundspezifität eingesetzt werden. Auch kommen als Bestätigungstests in Betracht der IgG-FTA-ABS-Test, der IgG-Treponema pallidum-Immunoblot oder der IgG-EIA.

Erweiterte Diagnostik: Sind Such- und Bestätigungstest positiv, gilt eine Treponemeninfektion aus serologischer Sicht als gesichert. Erforderlich sind dann die quantitative Cardiolipin- und T. pallidum-spezifische IgM-Antikörperbestimmung. Bei unbehandelten Patienten gelten ein positiver Lipoidantikörper- und/oder ein positiver IgM-Antikörperbefund als Hinweis auf Behandlungsbedürftigkeit. Für den Cardiolipin-Antikörpernachweis international empfohlen werden der VDRL- (Venereal Disease Research Laboratories-) Test und seine Varianten, wie z.B. der RPR-Test (Rapid plasma reagin card test). Lipoidantikörper gelten als unverzichtbarer Marker der Entzündungsaktivität der Treponemeninfektion. Sie werden ca. 4-6 Wochen nach der Infektion nachweisbar. Lipoidantikörpertiter >1:4 sind in der Regel spezifisch. Früher als die Lipoidantikörper finden sich bei der akuten Erstinfektion IgM-Antikörper gegen Treponema pallidum. Der Nachweis erfolgt quantitativ mit dem 19S-IgM-FTA-ABS-Test oder dem IgM-EIA. Mittels IgM-Immunoblot ist ein qualitativer IgM-Antikörpernachweis möglich. Nach effektiver Therapie werden die Lipoid- und IgM-Antikörperbefunde abhängig vom Zeitintervall zwischen Infektion und Therapiebeginn nach Monaten bis Jahren wieder negativ. Für den VDRL- und den RPR-Test gilt ein vierfacher Titerabfall (Reduktion des Titers um 2 Verdünnungsstufen) als Hinweis auf einen Therapieerfolg.

Zweitinfektion und Reaktivierung: Mit der Antikörperbestimmung ist eine Unterscheidung von Reinfektion und Reaktivierung nicht möglich. Die humorale Immunantwort erfolgt im Sinne eines Boostereffektes und bewirkt einen signifikanten Anstieg (mindestens zwei Titerstufen bei Paralleltestung mit einem Vorserum) z.B. des TPHA-/TPPA- und des Lipoidantikörpertiters. Die spezifische IgM-Antikörperkinetik ist hingegen sehr variabel. IgM-Antikörper können vollständig fehlen, zeitlich verzögert nachgewiesen werden oder mit hohem Titer positiv sein. Nach Therapie kommt es meist wieder zu einer rückläufigen Lipoidantikörperkinetik, während der TPHA-/TPPA-Titer auf hohem Niveau über lange Zeit persistieren kann.

Diagnostik der Neurosyphilis: Weil der Krankheitserreger auf dem Blutwege in alle Organe gelangt, ist die Neurosyphilis keine isolierte Infektion des Zentralnervensystems (ZNS). Als Ausschlussdiagnostik genügt bei entsprechendem klinischem Verdacht die Untersuchung des Serums. Zur Sicherung einer ZNS-Beteiligung an der Infektion ist hingegen die parallele Untersuchung von am gleichen Tag entnommenen Serum- und Liquorproben des Patienten erforderlich. Entscheidendes Diagnosekriterium ist der Nachweis einer spezifischen lokalen Antikörpersynthese im ZNS. Gut geeignet hierfür ist die TPHA-/TPPA-Titerbestimmung in Serum und Liquor und die nachfolgende Berechnung des erregerspezifischen Liquor/Serum-Quotienten (ITpA-Index) nach der Formel:

(TPHA-/TPPA-Titer im Liquor x IgG im Serum) / (TPHA-/TPPA-Titer im Serum x IgG im Liquor).

Ein ITPA-Index >3,0 gilt als Hinweis auf eine intrathekale Treponemenantikörpersynthese. Ein positiver Lipoid- oder spezifischer IgM-Antikörperbefund im Liquor kann zusätzliche Hinweise auf eine mögliche aktive ZNS-Infektion geben. Der Nachweis einer lokalen Treponemen-Antikörpersynthese im ZNS ist nicht mit der Diagnose einer aktiven Neurosyphilis gleichzusetzen, weil dieses Phänomen auch über Jahre, bei zahlreichen Patienten lebenslang nachweisbar bleibt. Für die Beurteilung der möglichen Krankheitsaktivität sind auch unspezifische Parameter wie Pleozytose, erhöhtes Liquor-Gesamteiweiß und der Funktionszustand der Blut-Liquor-Schranke zu berücksichtigen. Als Indikationen für die Liquor-Untersuchung werden neurologische Auffälligkeiten, klinische Zeichen einer Lues III, ein unbekannter Infektionszeitpunkt und eine gleichzeitig vorliegende HIV-Infektion angesehen.

Syphilis-Serologie in der Schwangerschaft: Der Ablauf der Diagnostik und die Interpretation der resultierenden Befunde entsprechen den zuvor ausgeführten Grundsätzen. Ein positiver IgM-Antikörperbefund ist in der Regel eine Behandlungsindikation. Wichtig ist, dass ein negativer IgM-Antikörperbefund nicht in jedem Fall eine aktive Syphilis ausschließt. Bei spätlatenter Infektion finden sich oftmals hochpositive TPHA-/TPPA-Titer und positive Lipoidantikörpertests, aber negative bzw. nicht signifikante IgM-Antikörperbefunde. Daher wird empfohlen, bei fehlender oder unklarer Behandlungsanamnese auch bei negativem IgM-Antikörperbefund Schwangere mit einem TPHA-/TPPA-Titer >1:5.120 und/oder einem positiven Lipoidantikörperbefund aus Sicherheitsgründen zu therapieren.

Diagnostik der konnatalen Syphilis: Erforderlich ist die vergleichende quantitative Untersuchung der Serumproben von Mutter und Kind mit quantitativen Tests (TPHA-/TPPA, VDRL-/RPR-Test, 19S-IgM-FTA-ABS-Test u.a.). IgG-Antikörper der Mutter sind in der Lage die Plazenta zu passieren, und sind somit im Serum des Neugeborenen nachweisbar. Diese Leihantikörper werden mit einer Halbwertzeit von 21 Tagen eliminiert. Abhängig von der initialen Titerhöhe werden die Syphilistests innerhalb weniger Monate, spätestens jedoch innerhalb des ersten Lebensjahres negativ. Labordiagnostische Hinweise auf eine kongenitale Infektion können sein: ein positiver IgM-Antikörperbefund im 19S-IgM-FTA-ABS-Test, im IgM-EIA oder IgM-Blot, ein positiver Lipoid-IgM-Antikörperbefund (Bestimmung mittels Immunoblot), im Vergleich zum Befund der Mutter höhere Antikörpertiter beim Neugeborenen, eine Antikörperpersistenz bei Verlaufskontrollen während des ersten Lebensjahres sowie ein positiver Erregernachweis (PCR oder Immunhistochemie) aus Läsionen/Effloreszenzen/Sekreten, EDTA-Blut, Liquor cerebrospinalis, Plazenta oder Nabelschnur.

Besonderheiten bei HIV-Infizierten: Serologische Syphilis-Tests geben auch bei HIV-Infizierten in der Regel sichere Resultate und erlauben eine zuverlässige Diagnose und Beurteilung des Therapieerfolges. Im Rahmen der HIV-Infektion finden sich z.T. sehr hohe treponemenspezifische und Lipoidantikörper-Titer. Bei hohen Lipoidantikörpertitern kann ein VDRL-/RPR-Screeningtest bedingt durch Störung des Antigen-Antikörper-Gitternetzwerks, das sogenannte Prozonenphänomen, falsch negativ ausfallen. Die Antikörpertiter bleiben oft, trotz lege artis durchgeführter Therapie, lange erhöht. Unspezifische VDRL-/RPR-Befunde können im Rahmen der HIV-Infektion auftreten und finden sich insbesondere auch bei i.v. Drogengebrauchenden. Falsch negative serologische Befunde bei HIV-Infektion sind nur in Einzelfällen beschrieben. Bei entsprechendem Verdacht und wiederholt negativer Serologie sollten dann andere diagnostische Verfahren eingesetzt werden, z.B. die immunhistologische Untersuchung von Biopsien, oder die Untersuchung von Gewebeproben oder Exsudaten mittels PCR. Bis zu 40% der Patienten mit primärer oder sekundärer Syphilis weisen pathologische Liquorveränderungen auf. Deshalb wird bei allen Syphilis/HIV-Koinfizierten mit fortgeschrittener Immundefizienz (CD4-Zellzahl <200 Zellen/µl) auch ohne neurologische Symptomatik eine Liquoruntersuchung empfohlen.

Therapie

Die Therapie der ersten Wahl ist in allen Stadien bis heute die Behandlung mit Penicillin, eine Resistenz von Treponema pallidum ist bisher nicht bekannt (für Therapieleitlinie der DSTIG s. Referenzen). Die deutschen und europäischen Richtlinien sowie die Empfehlungen in den USA weichen nur geringfügig voneinander ab. Wegen der langen Generationszeit der Treponemen ist die kontinuierliche Aufrechterhaltung treponemizider Wirkstoffspiegel über eine Mindestdauer von 10 Tagen erforderlich.

Wichtiger Hinweis: Durch den raschen Erregerzerfall infolge der Therapie kann es zu toxischen systemischen Reaktionen kommen (Schüttelfrost, Fieber, Kopfschmerzen). Diese sog. Jarisch-Herxheimer-Reaktion kann durch Cortison-Präparate behandelt werden.

Serologische Untersuchungen zur Kontrolle der Therapie: Da es unter Therapie noch zu signifikanten Titeranstiegen kommen kann, sollte der serologische Befund 3-4 Wochen nach Einleitung der Antibiotikatherapie (gleichzeitig mit der Überprüfung der Abheilung eventueller klinischer Befunde) als Ausgangswert für die weitere Beurteilung des Titerverlaufs erneut erhoben werden. Hierbei sind erneute qualitative Untersuchungen mit Bestätigungstests wie dem FTA-ABS-Test oder dem IgG-Immunoblot überflüssig. Sinnvoll ist die quantitative Antikörperbestimmung mit dem VDRL-/RPR-Test und dem 19S-IgM-FTA-ABS-Test oder dem IgM-EIA zur Beurteilung des Therapieerfolges. Zusätzlich wird auch ein Monitoring des treponemenspezifischen Gesamtantikörpertiters z. B. mit dem TPHA-/TPPA-Test (oder einem vergleichbar sensitiven Verfahren) empfohlen. Aus der Kinetik der treponemenspezifischen Gesamt- bzw. IgG-Antikörper ist zwar kein direkter Rückschluss auf einen Therapieerfolg möglich, jedoch ist meist über Jahre ein kontinuierlich rückläufiger Titer oder eine Titerpersistenz zu beobachten. Kommt es im Verlauf zu einem signifikanten Titeranstieg ≥ 2 Stufen, ist ein Infektionsrezidiv oder eine Reinfektion wahrscheinlich. Bei Therapieerfolg zeigt sich in der Regel ein deutlicher Titerabfall der Aktivitätsparameter. Je länger eine unbehandelte Syphilis bestanden hat, desto länger dauert es bis zur Normalisierung der Lipoid- und/oder spezifischen IgM-Antikörperbefunde. Nach Therapie einer Treponema pallidum-Erstinfektion im Primär- oder Sekundärstadium ist in der Regel ein signifikanter Titerabfall der Lipoid- und/oder IgM-Antikörper um zwei oder mehr Verdünnungsstufen (sog. vierfacher Titerabfall) innerhalb weniger Monate bis zu einem Jahr nach Behandlungsende zu erwarten. Nach Therapie einer spätlatenten Infektion oder einer Syphilis im Tertiärstadium kann der Titerabfall sehr langsam über Jahre erfolgen, nach Reinfektion kann die Antikörperkinetik ebenfalls sehr variabel verlaufen. Ein signifikanter Anstieg ≥2 Verdünnungsstufen gilt ebenso wie der meist parallel erfolgende Anstieg auch der treponemenspezifischen Gesamt- bzw. IgG-Antikörper (TPHA-/TPPA-Titer) als Hinweis auf eine Reinfektion oder ein Rezidiv.

Bei seropositiven Schwangeren werden quantitative Verlaufskontrollen z. B. mit dem TPHA-/TPPA- und VDRL-/RPR-Test in regelmäßigen Abständen (z.B. 1-3 monatlich) empfohlen. Die Indikation zur Kontrolle des Liquorbefundes nach Therapie einer Neurosyphilis ist von der klinischen Verlaufsbeurteilung abhängig zu machen.

Präventions- und Bekämpfungsmaßnahmen

1. Präventive Maßnahmen

Eine Impfung steht nicht zur Verfügung. Die primäre Prävention gründet sich auf Empfehlungen zur Expositionsprophylaxe, speziell zur Reduzierung von sexuellem Risikoverhalten. Eine zentrale Botschaft ist, dass die korrekte Anwendung von Kondomen einen guten Schutz gegenüber einer T.-pallidum-Infektion bietet. Da aber jeder Kontakt mit dem Erreger zur Infektion führen kann (z.B. Übertragung beim Küssen bei oralem Ulkus), lässt sich die Ausbreitung bei sexuell aktiven Personen nicht allein durch Verhaltensänderungen vermindern. Eine wirkungsvolle Verhinderung von Neuinfektionen, insbesondere in Bevölkerungsgruppen mit höherer Prävalenz, ist daher nur in Kombination mit einer ausreichenden und Risiko-adaptierten Testung und Therapie als Ergänzung zu primärpräventiven Botschaften zu erreichen. Insofern kommt der therapeutischen Intervention hier auch eine entscheidende präventive Bedeutung zu.

Hierbei ist es von entscheidender Bedeutung, sexuell übertragbaren Infektionen (STI) im Zusammenhang zu sehen und sowohl allgemeine Merkmale als auch Besonderheiten der einzelnen Erreger, deren Übertragungswegen und deren klinischen Eigenschaften im Blick zu haben. Studien zeigen, dass das Bewusstsein für die Bedeutung von STI abgesehen von HIV in der Allgemeinbevölkerung eher gering ausgeprägt ist. Aufmerksamkeit für entsprechende Symptome und die Bereitschaft, diese beim Arzt abklären zu lassen, obwohl es sich um einen schambesetzten Bereich handelt, müssen weiter gestärkt werden. Wichtige Akteure auf dem Feld der STI-Prävention sind die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), die Gesundheitsämter mit ihren Beratungsstellen sowie nichtstaatliche Organisationen wie z.B. die Deutsche STI-Gesellschaft (DSTIG), die AIDS-Hilfe und Pro Familia. Die BZgA hat durch die Umstellung der früheren HIV-spezifischen Kampagnen auf eine kombinierte HIV/STI-Kampagne (>> www.liebesleben.de) sowie durch die Entwicklung zahlreicher weiterer Materialien zu STI in den letzten Jahren die Präventionsmaßnahmen im Bereich STI noch deutlich verstärkt. Auch die deutsche Aidshilfe hat für verschiedene Gruppen mit erhöhtem Präventionsbedarf (z.B. MSM, Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter) zahlreiche zielgruppenspezifische Präventionsmaterialien entwickelt.

Auch niedergelassene Fachärztinnen und -ärzte zum Beispiel der Venerologie, Gynäkologie oder Urologie sowie weitere Ärztinnen und Ärzte mit spezieller Erfahrung auf dem Gebiet der STI nehmen in der STI-Prävention eine wichtige Rolle ein. Für Behandelndeist es wichtig, die Syphilis differenzialdiagnostisch mit zu berücksichtigen. Es erscheint sinnvoll, im Rahmen der ärztlichen Fort- bzw. Weiterbildung auf Besonderheiten der Symptomatik, Diagnostik und Therapie einzugehen. Frühdiagnose und Frühbehandlung sind anzustreben. Auch im Kontext der mittlerweile für bestimmte Zielgruppen als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung verfügbaren HIV-Expositionsprophylaxe (PrEP) ist die Aufklärung zu möglichen Infektionen mit Syphilis und anderen STI sowie eine häufige Testung und ggf. Behandlung wichtig. Eine Testung auf Syphilis sollte für PrEP-Gebraucher laut Leitlinie alle 3 Monate durchgeführt werden.

Der Lues connata kann durch Screening im Rahmen der Mutterschaftsvorsorge wirksam vorgebeugt werden.

Im Blutspendewesen bieten die Vorauswahl der Spender und das Screening der Spenden sicheren Schutz vor einer Übertragung infektiösen Blutes (eine bestehende oder abgelaufene Syphilis bedingt einen dauernden Ausschluss als Blutspender, Antikörper gegen T. pallidum enthaltende Seren dürfen nicht zur Spende eingesetzt werden).

Eine effiziente Surveillance bildet die Grundlage gezielter präventiver Maßnahmen und medizinischer Betreuung.

2. Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen

Jede Person mit Syphilis-Diagnose sollte gründlich über die möglichen Übertragungswege des Erregers und präventive Maßnahmen informiert werden. Bis zum Nachweis des Therapieerfolges soll kein ungeschützter Geschlechtsverkehr ausgeübt werden. Bei jeder nachgewiesenen Syphilis-Infektion sollte eine vollständige STI-Diagnostik (einschließlich eines HIV-Tests) durchgeführt werden (Hinweise hierfür finden sich in der >> Leitlinie der DSTIG zu Diagnostik, Therapie und Beratung bei STI). Besondere Desinfektions- oder Isolierungsmaßnahmen sind bei üblichen sozialen Kontakten nicht nötig.

Gefährdete wie auch Ärztinnen und Ärzte sollten für das mögliche Auftreten verdächtiger Symptome nicht nur an den Genitalien und im Anal-/Rektalbereich, sondern auch an den Lippen, im Mund- und Rachenbereich sensibilisiert sein.

Vor allem STI-Untersuchungs- und Beratungsstellen der Gesundheitsämter und freier Träger verfügen über große Erfahrungen und im Fall der Gesundheitsämter durch das IfSG gegebene Möglichkeiten, Angehörigen von Gruppen mit erhöhtem Infektionsrisiko spezielle Beratungs-, Untersuchungs- und Behandlungsangebote zu machen.

Insbesondere in Ballungszentren mit erhöhten Syphilis-Inzidenzen werden niedrigschwellige, ggf. auch aufsuchende Testangebote durchgeführt und gut angenommen. Zudem werden verstärkt Möglichkeiten für Einsendetests etabliert, die Personen mit Testbedarf und fehlender Nähe zu Beratungs- und Testangeboten als auch Personen mit regelmäßigem Testbedarf auch in Form eines Abonnements beziehen können. In diesem Rahmen werden nach einer Erstberatung die notwendigen Testmaterialien an die testwilligen Personen verschickt, diese entnehmen sich selbst das benötigte Probenmaterial und senden dieses an ein Vertragslabor ein, das die Befundung vornimmt. Die getestete Person wird durch die Einrichtung, die das Versandangebot anbietet, kontaktiert und ggf. behandelt. Zumeist steht auch ein Online-Beratungsangebot zur Verfügung.

Die Benachrichtigung und Behandlung von Sexualpartnern ist wichtig, um Infektionsketten möglichst schnell zu unterbrechen, Re-Infektionen und weitere Übertragungen zu verhindern und damit die kollektive wie individuelle Krankheitslast zu senken. Alle in Frage kommenden Sexualpartner der Patientinnen und Patienten sollten daher soweit möglich mit beraten, untersucht und ggf. behandelt werden. Bei einer primären Syphilis sollten dies die Partner der vergangenen 3 Monate sein, bei sekundärer oder früh latenter Syphilis wäre ein Zeitraum von bis zu 12 Monaten zu berücksichtigen. Maßnahmen zur Partner-Benachrichtigung sind freiwillig und sollten daher auf Grundlage einer engen Kooperation mit den behandelten Patientinnen und Patienten erfolgen. Neben der direkten Ansprache (zumeist durch die behandelten Personen selbst, evtl. durch Personen der Gesundheitsdienste) werden zurzeit verschiedene digitale Möglichkeiten zur Partnerbenachrichtigung etabliert. Diese sind insbesondere interessant für Personen, die dabei anonym bleiben möchten.

3. Maßnahmen bei Ausbrüchen

Eine örtliche Ausbreitung der Syphilis sollte rasch zur Kenntnis der zuständigen Gesundheitsbehörde und Ärztinnen und Ärzte der Region gelangen. Auch das RKI ist sehr daran interessiert, über ein lokales Ausbruchsgeschehen informiert zu werden. Eine örtliche Ausbreitung erfordert situationsgerechte Maßnahmen der Prävention, vor allem in den als gefährdet erkannten Personenkreisen (spezifische Information, Aufklärung, Angebote der Beratung, Untersuchung und Behandlung).

Gesetzliche Grundlage

Meldepflicht gemäß IfSG

Dem RKI wird gemäß § 7 Abs. 3 IfSG der direkte oder indirekte Nachweis von Treponema pallidum nichtnamentlich gemeldet.

Die Meldungen müssen dem RKI spätestens 2 Wochen nach erlangter Kenntnis vorliegen.

In § 8 IfSG werden die zur Meldung verpflichteten Personen benannt (https://www.gesetze-im-internet.de/ifsg/__8.html). In § 10 IfSG ist festgelegt, welche Angaben die nichtnamentliche Meldung an das RKI enthalten darf (https://www.gesetze-im-internet.de/ifsg/__10.html).

Meldebögen und Freiumschläge für die Rücksendung der Meldebögen für die nichtnamentliche Meldung können im RKI angefordert werden: www.rki.de > Infektionsschutz > Infektionsschutzgesetz > Meldebögen

Übermittlung

entfällt

Weitergehende Mitteilungspflichten

Es bestehen ergänzende Verordnungen in Sachsen. Gemäß Landesverordnung ist in Sachsen über § 7 Abs. 3 Satz 1 IfSG hinaus der direkte oder indirekte Nachweis von Treponema pallidum dem zuständigen Gesundheitsamt nichtnamentlich zu melden, wenn der Nachweis auf eine akute Infektion hinweist.

Beratung und Spezialdiagnostik

Das Robert Koch-Institut führt keine individuelle medizinische Beratung zu Klinik, Therapie oder Impfungen durch. Bitte wenden Sie sich diesbezüglich an Ärzte oder Kliniken in Ihrer Nähe, bei denen möglichst eine Spezialisierung für Infektionskrankheiten besteht.

Bezüglich Fragen zu Infektionsschutz und -prävention, kontaktieren Sie bitte Ihr zuständiges Gesundheitsamt (https://tools.rki.de/plztool/).

Beratung zur Epidemiologie

Robert Koch-Institut
Abteilung für Infektionsepidemiologie
Fachgebiet 34 - HIV/AIDS und andere sexuell oder durch Blut übertragbare Infektionen
Seestraße 10, 13353 Berlin
Ansprechpartner: Dr. Klaus Jansen
Tel.: 030 18754 3754
E-Mail: Kontaktformular

Beratung zur Spezialdiagnostik

Konsiliarlaboratorium für Treponema
Labor Krone
Medizinaluntersuchungsstelle
Siemensstraße 40, 32105 Bad Salzuflen
Ansprechpartner: Dr. Dieter Münstermann
Vertretung: Prof. Dr. H.-J. Hagedorn
Tel.: 05222/8076-143 oder alternativ: 05222/8076-0 (Zentrale)
Telefax: 05222/8076-163
E-Mail: info@laborkrone.de
Homepage: www.laborkrone.de

Ausgewählte Informationsquellen

  1. Deutsche STI-Gesellschaft (DSTIG). Diagnostik und Therapie der Syphilis - S2k-Leitlinie 059/002. 2020, AWMF.
    https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/059-002.html
  2. Deutsche STI-Gesellschaft. Sexuell übertragbare Infektionen (STI) – Beratung, Diagnostik und Therapie. 2018.
    https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/059-006.html
  3. Deutsche AIDS-Gesellschaft e.V. (DAIG). Deutsch-Österreichische Leitlinien zur HIV-Präexpositionsprophylaxe. 2018.
    https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/055-008.html
  4. Hagedorn H et al. Syphilis (MIQ 16). Qualitätsstandards in der mikrobiologisch-infektiologischen Diagnostik. 2. Auflage. Elsevier, 2012.
  5. Infektionsschutzgesetz: https://www.gesetze-im-internet.de/ifsg/
  6. Janier M et al. 2020 European Guideline on the Management of Syphilis. IUSTI Europe.
  7. Workowski KA et al. Centers for Disease Control and Prevention (CDC). Sexually transmitted diseases treatment guidelines, 2015. MMWR Recomm Rep 2015;64:34-51.
    https://www.cdc.gov/std/tg2015/syphilis.htm
  8. Jansen K: Syphilis in Deutschland im Jahr 2018 – Anstieg der Vorjahre stagniert auf hohem Niveau. Epid Bull 2019;50:545-554.
    https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2019/50/Art_01.html
  9. Jansen, K., et al. Increased incidence of syphilis in men who have sex with men and risk management strategies, Germany, 2015. Euro Surveill, 2016. 21(43).
    https://www.eurosurveillance.org/content/10.2807/1560-7917.ES.2016.21.43.30382
  10. Jansen, K., et al., High Prevalence and High Incidence of Coinfection with Hepatitis B, Hepatitis C, and Syphilis and Low Rate of Effective Vaccination against Hepatitis B in HIV-Positive Men Who Have Sex with Men with Known Date of HIV Seroconversion in Germany. PLoS One, 2015. 10(11): p. e0142515.
    https://journals.plos.org/plosone/article/comments?id=10.1371/journal.pone.0142515
  11. Meyer et al. Schnelltest-Diagnostik sexuell übertragbarer Infektionen in niedrigschwelligen Einrichtungen. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz. 2016. doi:10.1007/s00103-016-2496-3.
  12. European Centre for Disease Prevention and Control. Syphilis. In: ECDC. Annual epidemiological report for 2017. Stockholm: ECDC; 2019.
    https://www.ecdc.europa.eu/en/publications-data/syphilis-annual-epidemiological-report-2017
  13. European Centre for Disease Prevention and Control. Syphilis and congenital syphilis in Europe – A review of epidemiological trends (2007-2018) and options for response. Stockholm: ECDC; 2019.
    https://www.ecdc.europa.eu/en/publications-data/syphilis-and-congenital-syphilis-europe-review-epidemiological-trends-2007-2018
  14. World Health Organization (2018). Report on global sexually transmitted infection surveillance, 2018. Geneva: World Health Organization.
    https://www.who.int/publications/i/item/9789241565691
  15. Centers for Disease Control and Prevention. Sexually transmitted Disease Surveillance 2018. Atlanta: U.S. Department of Health and Human Services; 2019.
    https://www.cdc.gov/std/stats18/STDSurveillance2018-full-report.pdf

Redaktion der Reihe "RKI-Ratgeber"

Hinweise zur Reihe "RKI-Ratgeber" richten Sie bitte an das Robert Koch-Institut, Abteilung für Infektionsepidemiologie (Kontaktformular) oder an die Redaktion des Epidemiologischen Bulletins (Kontaktformular).

Stand: 12.11.2020

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