Nach neuen Zwischenfällen in der Straße von Hormus spitzt sich die Krise zwischen dem Iran und dem US-Verbündeten Großbritannien zu. Der Iran beschlagnahmte am Freitag einen zweiten britischen Tanker. Das erste Schiff konnte seine Fahrt später wieder fortsetzen.

Der britische Außenminister Jeremy Hunt drohte der Führung in Teheran mit "ernsten Konsequenzen", sollte sie nicht auch den anderen Tanker bald freigeben. In einem Interview des Senders Sky News sagte er auch, militärische Optionen würden nicht erwogen: "Wir halten nach einem diplomatischen Weg Ausschau, um diese Situation zu lösen."

Hunt erklärte vor einer Sitzung des Nationalen Sicherheitsrats ("Cobra") in London, er habe mit US-Außenminister Mike Pompeo über die Situation gesprochen. Versuche, mit dem iranischen Außenminister Mohammed Dschawad Sarif zu telefonieren, seien zunächst nicht erfolgreich gewesen, da er sich auf einer Flugreise befand. Nach der Cobra-Sitzung teilte ein Regierungssprecher mit, dass allen Schiffen, die unter britischer Flagge fahren, dazu geraten werde, die Straße von Hormus und umliegende Gewässer bis auf Weiteres zu meiden. Die deutsche Regierung forderte den Iran zur "unverzüglichen" Freigabe des beschlagnahmten Schiffes auf. "Eine weitere regionale Eskalation wäre sehr gefährlich", teilte ein Ministeriumssprecher des Auswärtigen Amtes mit.

Das US-Militär teilte mit, es habe Aufklärungsflugzeuge im Einsatz, um die Lage in der Straße von Hormus zu beobachten. Die Flugzeuge operierten im internationalen Luftraum. Es stehe zudem in Kontakt mit US-Schiffen in der Gegend, um deren Sicherheit zu garantieren.

Reederei: sämtliche Vorschriften befolgt

Die Iranischen Revolutionsgarden (IRGC) hatten nach eigenen Angaben zunächst den unter britischer Flagge fahrenden Öltanker Stena Impero in der Straße von Hormus gestoppt und in Richtung iranischer Küste gebracht. Zur Begründung hieß es am Freitag, der Tanker habe internationale Vorschriften missachtet. Die schwedische Reederei Stena Bulk, der das Schiff gehört, teilte dagegen mit, der Tanker habe sich an sämtliche internationalen Vorschriften gehalten.

Laut der Behörden in der südiranischen Provinz Hormusgan wurde die Stena Impero in den Hafen der Stadt Bandar Abbas eskortiert. Der Tanker habe sein GPS-Signal ausgeschaltet und sei vom südlichen Teil der Straße von Hormus, der nur für den Ausgang der Schiffe vorgesehen ist, in die Meerenge eingefahren und habe damit eine Kollision mit anderen Schiffen riskiert, berichtete die iranische Nachrichtenagentur Tasnim. Dies verstoße gegen die maritimen Vorschriften am Golf. Außerdem solle der Tanker auch umweltschädigende Materialien an Bord haben, die derzeit von der Umweltbehörde in Bandar Abbas untersucht würden, und mit einem Fischerboot zusammengestoßen sein. "Der britische Tanker Stena Impero ist auf seiner Route mit einem Fischerboot kollidiert", sagte der Chef der Hafen- und Schifffahrtsbehörde der iranischen Provinz Hormosgan, Allah-Morad Afifipoor. Entsprechend der rechtlichen Vorschriften seien Ermittlungen zur "Ursache für den Unfall" eingeleitet worden.

Das Fischerboot habe nach dem Vorfall das britische Schiff kontaktiert, aber keine Antwort erhalten, sagte der Behördenchef weiter. Deshalb habe das Fischerboot entsprechend der rechtlichen Vorgaben die Schifffahrtsbehörde eingeschaltet.

Die schwedische Reederei Stena Bulk, der das Schiff gehört, teilte mit, mehrere unbekannte kleinere Boote und ein Hubschrauber hätten sich genähert, als der Tanker in internationalen Gewässern kreuzte. Wie Daten der Internetseite Marine Traffic zeigen, verließ die Stena Impero ihren Kurs, als sie die Straße von Hormus passiert hatte. Das Schiff war unter britischer Flagge unterwegs vom Hafen Fudschaira in den Vereinigten Arabischen Emiraten in Richtung Al-Dschubail in Saudi-Arabien.

Zweiter Tanker ist wieder frei

Kurz darauf wurde auch der unter liberianischer Flagge fahrende Tanker Mesdar des britischen Unternehmens Norbulk Shipping UK in Richtung Iran abgedrängt. Wie das Unternehmen mitteilte, wurde die Mesdar bald darauf aber wieder freigegeben. Nach dreieinhalb Stunden sei die Kommunikation mit der Besatzung wiederhergestellt worden. Die bewaffneten Sicherheitskräfte hätten das Schiff wieder verlassen und die Mesdar könne die Reise fortsetzen; den Menschen an Bord gehe es gut. Die halbstaatliche Nachrichtenagentur Fars berichtete, die Besatzung sei routinemäßig von der iranischen Marine über die Umweltvorschriften im Persischen Golf aufgeklärt worden und anschließend weitergefahren.

Der Ölpreis zog nach dem Vorfall an, die US-Börsen schlossen leicht im Minus. Die Straße von Hormus, die den Persischen Golf mit dem Golf von Oman, dem Arabischen Meer und dem Indischen Ozean verbindet, ist einer der wichtigsten Schifffahrtswege weltweit. Ein Fünftel aller Erdöltransporte passiert die Meerenge. Der Iran beansprucht für sich, die Sicherheit der Passage vor seiner Küste zu gewährleisten. Der Chef der britischen Schifffahrtskammer, Bob Sanguinetti, forderte mehr Schutz für Handelsschiffe in der Meerenge.