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Rittner: Mädels reif für Grand-Slam-Erfolg

  • Aktualisiert: 09.12.2013
  • 09:50 Uhr
  • ran.de / Dominik Hechler
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© Getty
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Barbara Rittner ist nicht nur die Teamchefin des Porsche Team Deutschland, sie ist für alle DTB-Spielerinnen auch eine absolute Vertrauensperson. Im exklusiven Gespräch mit ran.de und tennis.de spricht Rittner über die deutsche Nummer eins, Angelique Kerber, das Tennisjahr 2013 und blickt auf das Fed-Cup-Finale zwischen Italien und Russland (Sa. und So. im Livestream auf ran.de und tennis.de).

Frau Rittner, Sie waren vergangene Woche in Istanbul und haben sich das WTA-Masters live vor Ort angeschaut. Welche Eindrücke konnten Sie sammeln?

Barbara Rittner: Es war letztlich so, wie man es sich von einem WTA-Masters erwartet. Alle Matches, die ich gesehen habe, waren sehr hochklassig, absolut top. Und es war vor allem zu beobachten, dass alle Spielerinnen, die dort waren, auch zum Ende der Saison noch sehr fit waren. Aus deutscher Sicht konnte ich feststellen, dass Angie sich in ihrem zweiten Jahr in Istanbul unheimlich weiterentwickelt hat.

Inwiefern?

Rittner: Naja, gegen eine Agnieszka Radwanska muss man erst einmal glatt in zwei Sätzen gewinnen. Angie hat richtig gutes Tennis gespielt und ich glaube auch, dass es sie dieses Mal nicht so viel Kraft gekostet hat, wie noch bei ihrem ersten Auftritt beim WTA-Masters im vergangenen Jahr. Damals hat sie ein super Match gegen Victoria Asarenka gespielt, war danach aber völlig platt. Und man darf auch nicht unterschätzen, welches Programm die Spielerinnen vor Ort absolvieren müssen. Vor allem medial. Da muss man erst einmal reinwachsen und sich daran gewöhnen. Die Top-Spielerinnen wie Serena Williams oder auch eine Maria Scharapowa sind das natürlich gewohnt, aber für die anderen ist das Neuland. Aber ich glaube, dass Angie jetzt in diesem etablierten Kreis richtig angekommen ist und sich auch wohlfühlt. Außerdem ist sie von den anderen Spielerinnen auch absolut respektiert und akzeptiert.

Wie haben Sie denn die Saison von Angelique Kerber bis zum WTA-Masters in Istanbul wahrgenommen? Es war ja ein stetiges Auf und Ab mit dem sportlichen Wendepunkt nach dem frühen Aus in Wimbledon.

Rittner: Angie hat das Jahr okay angefangen und sich dann eine relativ schwierige Verletzung am Rücken zugezogen, weshalb sie auch eine Zeit lang pausieren musste. Das war für sie komplett neu, weil Angie zuvor eigentlich nie verletzt war. Und dann war sie dieses Jahr zum ersten Mal auch die Gejagte und hatte ihre Weltranglistenposition und somit viele Punkte bei den Turnieren zu verteidigen. Das hat sie bis Mitte des Jahres auch ganz gut gelöst. Aber dann kam das frühe Ausscheiden in Wimbledon. Ich hatte in dieser Phase wirklich Angst, dass Angie an dieser großen Enttäuschung zerbricht, dass sie in ein Loch fällt. Aber sie hat sich da super wieder rausgekämpft, die richtigen Leute um sich herum gehabt, die sich auch um sie gekümmert haben. Das war für mich die wichtigste Erfahrung für Angie im Tennisjahr 2013. Denn das wird sie auch für die Zukunft immer stärken…

…was in den vergangenen Monaten ja auch schon zu erkennen war …

Rittner: Absolut. Sie hat einen unglaublichen Endspurt hingelegt. Ich hatte Istanbul ehrlich gesagt nicht mehr auf dem Plan. Und war dann doch positiv überrascht, als sie sich doch noch qualifizierte. Sie hat alle Höhen und Tiefen in diesem Jahr richtig gut gemeistert und jetzt bin ich mal gespannt, was nächstes Jahr passiert.

Inwiefern nervt es Sie, dass die Öffentlichkeit diese Erfolge von Kerber oder auch Sabine Lisicki in diesem Jahr nicht so richtig würdigt, sondern nach wie vor eher kritisiert, dass keine deutsche Spielerin den großen Durchbruch, sprich einen Grand-Slam-Sieg, geschafft hat.

Rittner: Also nerven ist das falsche Wort. Mir tut es zwischendurch einfach nur sehr leid, was die Mädels da medial einstecken müssen. Was kann man machen? Ich sehe, wie hart alle arbeiten, dass sie wirklich alles für den eigenen Erfolg geben. Da kann sich keiner einen Vorwurf machen. Es gibt sehr viele Spielerinnen, die ein Grand-Slam-Turnier gewinnen wollen. Wir hatten dieses Jahr mit Sabine aber immerhin eine, die im Finale stand, was großartig war. Aber natürlich wartet Tenns-Deutschland nach der Graf-, Becker- und Stich-Ära wieder auf einen erneuten Grand-Slam-Sieg. Aber da müssen viele Dinge zusammenpassen. Für mich war es bei Angie in Istanbul jetzt zum Beispiel ein riesiger Erfolg, dass sie am letzten Tag noch um den Einzug ins Halbfinale gespielt hat. Aber Petra Kvitova hat an diesem Tag ein super Match gespielt und ich fand das überhaupt nicht schlimm, denn das gehört zu einer gewissen Entwicklung dazu. Und ich bin mir sehr sicher, dass bei den fünf, sechs Mädels, die wir in Deutschland haben, ihre besten Jahre noch vor ihnen liegen. Sie sind jetzt alle Mitte zwanzig und somit im besten Tennisalter. Es ist also im Bereich des Möglichen, dass wir mal wieder eine Grand-Slam-Siegerin haben. Und ich hätte vor ein paar Jahren nicht gedacht, dass ich das mal sagen würde.

Zumal Erfolg nicht planbar ist …

Rittner: …ganz genau, siehe Andrea Petkovic. Sie war auf einem super Weg, ganz nach vorne zu kommen und hat sich genau in dieser Situation wieder einmal richtig schwer verletzt. Es kann immer viel passieren. Deswegen finde ich es umso beachtlicher, dass alle Mädels mit einer gewissen Konstanz da vorne mitspielen und gegen jeden bestehen können. Dass die Öffentlichkeit natürlich immer nach dem großen Wurf lechzt und immer wieder etwas Negatives findet, tut mir persönlich sehr leid und ich finde es zum Teil auch extrem unfair, weil ich weiß, wie sehr sich die Mädels das alle sehr zu Herzen nehmen.

Nehmen Sie dann auch mal Einfluss? Denn Sie haben als deutsche Fed-Cup-Teamchefin ja einen sehr guten Draht zu allen deutschen Spielerinnen.

Rittner: Ich bin ein bisschen die Person, die im Hintergrund da ist. Die Spielerinnen wurden von mir in jungen Jahren ja auch mitgeprägt, ich habe viele Lehrgänge mit ihnen gemacht und den Mädels Dinge mit auf den Weg gegeben, von denen sie heute allesamt profitieren. Jetzt bin ich eine Art Vertrauensperson.

Also auch ein bisschen die "Mutti"?

Rittner: Nee, also dieses Wort finde ich furchtbar und falsch. Ich bin ja nicht diejenige, die die Mädels bekocht und den ganzen Tag umsorgt. Ich bin eher eine Mischung aus vertrauter Person oder aber Beraterin im Hintergrund, die die Dinge allerdings auch kritisch betrachtet. Ich habe einen engen Draht zum Umfeld. Egal ob das die Eltern sind oder die Coaches. Ich bin da sehr vermittelnd tätig. Meine große Stärke ist, glaube ich jedenfalls, dass ich sehr gute Antennen dafür habe, was passiert und dann eben als unabhängige, langjährige Vertraute versuche, von außen einzuwirken und mitzugestalten.

Angelique Kerber hat sich in den Top-Ten etabliert, Sabine Lisicki stand im Wimbledon-Finale, Andrea Petkovic hat sich nach ihrer Verletzung wieder zurückgekämpft – nur Julia Görges hat mit 16 Erstrunden-Niederlagen ein ganz bitteres Jahr hinter sich. Wie sehen Sie ihre Saison?

Rittner: Für Jule war es eine unglaublich schwere Saison. Sie musste sich mit einer hartnäckigen Handgelenksverletzung herumschlagen. Und das als eine Spielerin, die sehr viel Topspin spielt und dabei einen enormen Handgelenkseinsatz hat. Diese Verletzung hat bei ihr dann für eine große Unsicherheit gesorgt, die sich über das ganze Jahr gezogen hat. Gut, sie ist jetzt trotzdem unter den Top-80 der Welt geblieben, was aber sicherlich nicht ihr Anspruch ist. Für mich ist Jule definitiv eine Top-20-Spielerin. Aber so eine Saison gehört einfach dazu, vor allem dann, wenn man so eine eklige Verletzung hat und lange Zeit nicht schmerzfrei ist.

Hatten Sie denn mal Kontakt zu ihr?

Rittner: Ja, wir hatten ein sehr gutes, längeres Gespräch, in dem Jule einen super Eindruck machte. Es geht ihr sehr gut, sie fühlt sich fit und wird sicherlich eine gute Vorbereitung auf die Saison 2014 machen, um dann wieder durchzustarten. Sie sieht das alles sehr nüchtern und aufgeräumt und deshalb denke ich auch, dass Jule im nächsten Jahr wieder voll angreifen wird. Denn sie weiß selbst, dass sie dort, wo sie jetzt in der Weltrangliste steht, nicht hingehört.

Anke Huber hat im Interview mit ran.de gesagt, dass sie an Görges' Stelle die Saison vielleicht schon früher beendet hätte, um Abstand vom Sport zu bekommen. Sehen Sie das ähnlich?

Rittner: Ja, das hätte ich ihr auch geraten. Ich hätte nach den US Open zu ihr gesagt: Jule, nimm' Dir doch mal eine Auszeit. Aber natürlich gibt es da auch Argumente dagegen. Zum einen sind die Turniere in Asien, Tokio und Peking, für die Spielerinnen Pflichturniere. Wer dort nicht antritt, muss eine saftige Strafe zahlen. Und dann hatte sie im vergangenen Jahr in Linz ja auch noch das Finale gespielt und entsprechend in diesem Jahr gehofft, dass dort vielleicht der sportliche Wendepunkt gelingt. Im Nachhinein hätte sie vielleicht aber doch besser die Saison früher beendet. Aber hinterher ist man ja immer schlauer.

Was erwarten Sie von Ihren Spielerinnen in der kommenden Saison?

Rittner: Mein Hauptaugenmerk liegt 2014 natürlich erst einmal auf dem Fed-Cup. Wir sind dieses Jahr aufgestiegen, haben somit unsere Pflicht erfüllt. Jetzt wartet in der ersten Runde mit einem Auswärtsspiel in der Slowakei ein schweres Los auf uns. Die haben mit Dominika Cibulkova, Daniela Hantuchova und Magdalena Rybarikova richtig erfahrene Spielerinnen in ihren Reihen. Dennoch hoffe ich, wenn ich denn endlich auch mal personell aus dem Vollen schöpfen kann, dass wir diese erste Runde gewinnen und mal ins Halbfinale einziehen. Darauf liegt meine ganze Konzentration. Und ich hoffe wirklich, dass ich am Ende die Qual der Wahl habe, weil alle Mädels gesund und munter aus Australien zurückkommen. Das ist nämlich meine größte Sorge.

Und was erwarten Sie von jeder Einzelnen?

Rittner: Naja, eine Angie Kerber hat sicherlich das Ziel, mal ein Grand-Slam-Finale zu erreichen und weiterhin ganz vorne mitzuspielen. Genauso wie eine Sabine Lisicki sicherlich die Top-Ten angreifen will. Sie hatte nach Wimbledon wieder mit ein paar Verletzungen zu kämpfen und will jetzt wieder an die Leistungen vor und in London anknüpfen. Das Potenzial dafür hat sie jedenfalls, das weiß jeder. Eine Andrea Petkovic hat ihren Körper jetzt wieder im Griff, so dass sie eine komplette Saison durchspielen und die Top-15 angreifen kann. Eine Annika Beck muss ein gutes Jahr bestätigen, was sicherlich nicht ganz einfach wird. Auch Mona Barthel hat zu Beginn des Jahres viele Punkte zu verteidigen. Jule muss sich dagegen wieder fangen und vor allem gesundheitlich fit bleiben. Und wenn wirklich alle gesund bleiben, dann glaube ich fest daran, dass wir im nächsten Jahr sechs deutsche Spielerinnen unter den Top-30 der Weltrangliste haben können.

Welche Spielerin aus der zweiten Reihe, also dem "Porsche-Talent-Team", kann im nächsten Jahr vielleicht mal für eine Überraschung sorgen?

Rittner: Naja, allen voran sicherlich eine Annika Beck, die sich jetzt an die Top-50 herangespielt und in ihren Leistungen eine gewisse Konstanz gezeigt hat. Aber auch eine Carina Witthöft. Die ist erst 18 Jahre alt, hat aktuell ihr Abitur gemacht und vielleicht gerade einmal 11, 12 Turniere gespielt. Wenn sie jetzt noch professioneller trainiert und anstatt 12 auch mal 25 Turniere in der Saison spielen kann, dann sieht es auch ganz anders aus. Anna-Lena Friedsam sorgte in den letzten Wochen und jetzt gerade beim WTA-Turnier in Nanjing für Furore und ist auf dem Sprung in die Top-100. Aber ich denke auch eine Antonia Lottner, die Jüngste im Bunde. Sie hat bei den French Open im Jugendbereich das Finale erreicht und ist auch bei den US Open weit gekommen. Aber sie haben alle schon noch viel harte Arbeit vor sich. Dennoch ist bei allen das Potenzial vorhanden, um die Lücke zur jetzigen Generation zu schließen.

Was ist mit Dinah Pfizenmaier?

Rittner: Dinah ist mit 21 Jahren nicht mehr ganz so jung und musste aufgrund einer Handverletzung eineinhalb Jahre pausieren. Aber auch sie hat jetzt natürlich das Ziel, die Top-50 anzugreifen. Sie ist eine unheimlich fleißige Arbeiterin, die dieses Jahr bei den French Open richtig gut gespielt hat. Da wird man nun auch sehen müssen wie sie, aber auch alle anderen aus diesem Team, mit dem öffentlichen, aber auch dem eigenen Druck umgehen. Spielerisch haben es jedenfalls alle drauf.

Um den Damen-Bereich muss sich Tennis-Deutschland also keine Sorgen machen …

Rittner: … momentan jedenfalls nicht. Ich bin aktuell auch wieder in Stuttgart und mache einen Lehrgang mit den Kleinen. Da ist die Jüngste elf Jahre alt und die Älteste 15 Jahre. Und ich muss sagen, dass es zwar nicht mehr so viele Talente in der Breite gibt, aber wir haben schon noch ganz tolle Spielerinnen in der Hinterhand. Es ist einfach unser Glück, dass wir mit Porsche als Sponsor gezielt fördern können.

Da hat Davis-Cup-Teamchef Carsten Arriens bei den deutschen Herren ja eine ganz andere Situation.

Rittner: Das stimmt. Aber die hatte ich vor ein paar Jahren auch. Und da muss man einfach an allen Fronten kämpfen. Ich würde dem Carsten natürlich auch so einen Deal wünschen, wie wir ihn mit Porsche haben. So hätte auch er deutlich mehr Mittel zur Verfügung, seine Vorstellungen umzusetzen. Aber ich sehe durchaus auch ein paar gute Talente bei den Jungs.

Am Wochenende steigt das Fed-Cup-Finale zwischen Italien und Russland. Ihre Einschätzung?

Rittner: Naja, nachdem bei den Russinen ja aus welchen Gründen auch immer die Top-Spielerinnen nicht spielen, ist Italien natürlich klarer Favorit. Sie spielen zu Hause auf Sand, haben ein unglaubliches Team in der Breite und auch im Zusammenhalt. Es ist einfach toll, was Italien in den letzten Jahren spielt und es ist auch ein Vorbild für uns, an dem wir uns orientieren können. Und jetzt sieht man halt auch mal, was alles möglich ist: Da spielst du im Finale gegen Russland, bist eigentlich Außenseiter, aber dann spielen die Top-Spielerinnen gar nicht. Aber wenn du den Fed-Cup gewinnst, fragt am Ende keiner mehr, wer beim Gegner alles gespielt hat. Insofern ist das auch für uns eine große Motivation für die kommenden Jahre, Vollgas zu geben.


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