Inhalt

OLG Nürnberg, Beschluss v. 18.01.2024 – 9 UF 744/23
Titel:

Anforderungen an eine gerichtliche Umgangsregelung

Normenkette:
BGB § 1684 Abs. 1, § 1697a Abs. 1
Leitsätze:
1. Bei gemeinsamer elterlicher Sorge dient der Umgang auch zur Verteilung der Betreuungslast zwischen den Elternteilen. (Rn. 14)
2. Für eine konkrete gerichtliche Umgangsregelung ist es ausreichend, dass der angeordnete Umgang praktikabel ist und regelmäßig ausgeübt werden kann. (Rn. 17)
3. Dem umgangsberechtigten Elternteil ist es bei erweiterten Umgängen zuzumuten, das Kind an einzelnen Terminen teilweise fremdbetreuen zu lassen. (Rn. 15)
Schlagworte:
Umgang, Umgangsregelung, praktikabel, Vollstreckbarkeit, Kinderwohl, Kindeswille, Fremdbetreuung, Entlastung, Umgangsrecht
Vorinstanz:
AG Fürth, Beschluss vom 27.07.2023 – 204 F 803/23
Fundstellen:
FF 2024, 214
FamRZ 2024, 704
NZFam 2024, 454
BeckRS 2024, 871
LSK 2024, 871
NJW-RR 2024, 346

Tenor

1. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Fürth vom 27.07.2023 wird zurückgewiesen.
2. Der Antragsgegner hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
3. Der Beschwerdewert wird auf 8.000 € festgesetzt.

Gründe

1
Der Antragsgegner wendet sich gegen eine Umgangsregelung.
I.
2
Die Antragstellerin und der Antragsgegner sind die leiblichen Eltern der betroffenen Kinder Vi. F., geboren …2009, und Va. F., geboren …2012. Die Eltern haben sich 2016 getrennt und sind seit 09.11.2018 rechtskräftig geschieden. Die Kinder leben seit der Trennung bei der Mutter. In einer notariellen Scheidungsvereinbarung vom 08.11.2017 haben die Eltern festgelegt, dass das Umgangsrecht des Vaters mit den Kindern flexibel nach Absprache der Eltern erfolgen soll. Die Kinder sollen sich etwa zu 1/3 beim Vater und zu 2/3 bei der Mutter aufhalten. Beide Elternteile haben unregelmäßige Arbeitszeiten. Die Antragstellerin arbeitet als Purserin bei der L. mit einer zweidrittel Stelle, der Antragsgegner als Pilot in Vollzeit bei T. Der Antragsgegner ist wieder verheiratet und lebt mit seiner Frau und deren 12-jähriger Tochter zusammen. Die betroffenen Kinder und die Tochter der Ehefrau des Antragsgegners besuchen dasselbe Gymnasium in Fürth.
3
Mit Anwaltsschreiben vom 01.06.2023 hat die Antragstellerin beantragt, den Umgang nunmehr gerichtlich zu regeln, da die flexiblen Absprachen mit dem Antragsgegner nicht mehr funktionierten. Der Umgang solle daher 14-tägig im Zeitraum von Donnerstag nach Schulschluss bis Montag vor Schulbeginn erfolgen und zudem an 2 Tagen nach flexibler Absprache. Die Übergaben sollten flexibel nach dem Flugplan der Antragstellerin erfolgen. Der Antragsgegner hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Eine starre Regelung sei nicht möglich. Die Antragstellerin sei aufgrund ihrer Teilzeit flexibel und könne mehr betreuen.
4
Mit Beschluss vom 27.07.2023 hat das Amtsgericht Fürth den Umgang Vater – Kinder dahingehend geregelt, dass dieser 14-tägig donnerstags nach Schulschluss bis Montag vor Schulbeginn stattfindet. Es hat zudem eine Ferienregelung getroffen. Der Beschluss wurde dem Antragsgegnervertreter am 31.07.2023 zugestellt. Mit Anwaltsschreiben vom 30.08.2023, eingegangen beim Erstgericht am selben Tag, hat der Antragsgegner Beschwerde eingelegt. Mit dieser wendet er sich gegen die Wochenendumgänge. Die Regelung der Ferienumgänge wird mit der Beschwerde nicht angegriffen. Der Antragsgegner hat zuletzt in der mündlichen Verhandlung beantragt, dass die Wochenendumgänge mit den beiden Kindern jeweils nur in der ersten Kalenderwoche eines jeden Monats jeweils von Freitag nach Schulschluss bis Sonntagabend des gleichen Wochenendes stattfinden.
5
Der Antragsgegner trägt vor, dass eine starre Regelung, wie von der Antragstellerin gewünscht, für ihn nicht praktikabel sei. Sein Arbeitgeber nehme auf den Antragsgegner keine Rücksicht. Eine Klage gegen den Arbeitgeber sei ihm nicht zumutbar. Er könne lediglich einmal im Monat 3 Tage im Block freinehmen. Sein Arbeitgeber habe es abgelehnt, ihm zweimal im Monat 5 Tage am Stück freizugeben. Eine Fremdbetreuung der Kinder während der Umgangszeiten sei widersinnig.
6
Die Antragstellerin hat ausgeführt, dass die Umgangsregelung des Erstgerichts seitdem faktisch so durchgeführt werde und funktioniere. Für ein Umgangswochenende müsse der Antragsgegner auch nur maximal 2 × 3 Tage Freizeit beantragen, was machbar wäre. Auch die Antragstellerin sei an ein Schichtmodell gebunden. Der Antragsgegner sei wieder verheiratet und könne auch insbesondere für die Abende Donnerstag auf Freitag und Sonntag auf Montag eine Fremdbetreuung organisieren.
7
Beide Kinder haben in ihrer persönlichen Anhörung angegeben, dass der Umgang wie er derzeit praktiziert werde in Ordnung sei. Daran solle nichts geändert werden. Zwar sei ihr Vater während der Umgangszeiten nicht immer durchgehend zu Hause. Dies sei jedoch unproblematisch. Sie hätten ein gutes Verhältnis zur neuen Ehefrau des Antragsgegners und zu deren Tochter. Beide Kinder hätten im Haus des Vaters ein eigenes Zimmer und besuchen von dort aus freitags und montags die Schule zusammen mit ihrer Stiefschwester.
8
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die eingereichten Schriftsätze und den genannten Beschluss Bezug genommen.
II.
9
Die Beschwerde ist gemäß § 58 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie wurde insbesondere innerhalb der einmonatigen Beschwerdefrist gemäß § 63 Abs. 1 eingelegt.
10
Die Beschwerde ist nicht begründet.
11
Gemäß § 1684 Abs. 1 BGB hat jedes Kind das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil. Jeder Elternteil ist zum Umgang mit den Kindern verpflichtet und berechtigt. Gemäß § 1684 Abs. 3 Satz 1 BGB kann das Familiengericht über den Umfang des Umgangsrechts entscheiden. Gemäß § 1697 a Abs. 1 BGB trifft das Gericht dabei diejenige Entscheidung, die unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten sowie der berechtigten Interessen der Beteiligten dem Wohl der Kinder am besten entspricht.
12
Bereits seit über 6 Jahren verbringen die Kinder entsprechend des Wunsches der Eltern, den diese in der notariellen Scheidungsvereinbarung festgehalten haben, etwa 1/3 ihrer Zeit beim Vater und 2/3 bei der Mutter. Daran hat sich auch nach der erneuten Eheschließung des Antragsgegners nichts geändert. Der Antragsgegner übt damit einen erweiterten Umgang mit den Kindern aus. Dieser ist auch deshalb praktikabel, weil beide Eltern in Fürth wohnen, die Kinder in beiden Wohnungen der Eltern jeweils ein eigenes Zimmer haben und von beiden Wohnungen der Eltern aus die Schule besuchen können.
13
Aus Gründen, über die der Senat nur mutmaßen kann, funktioniert die jahrelang praktizierte flexible Absprache der Umgänge nun nicht mehr. Der Antragsgegner betont, dass er den Umfang der Umgänge mit den beiden Kindern nicht reduzieren wolle. Er fordert jedoch von der Antragstellerin mehr Flexibilität ein, als zu der er selbst bereit oder in der Lage ist. Die Kinder wünschen sich, dass die Umgänge wie aktuell praktiziert weiterhin stattfinden.
14
Die Antragstellerin und der Antragsgegner üben die elterliche Sorge für die beiden Kinder gemeinsam aus. Insbesondere in diesen Fällen dient der Umgang gemäß § 1684 BGB nicht nur dazu, den Kontakt und die Bindungen des Kindes zu seinen Eltern aufrechtzuerhalten, zu pflegen und zu fördern. Der Umgang dient auch dazu, den hauptbetreuenden Elternteil zu entlasten und die tatsächliche Betreuung der Kinder in einem zu bestimmenden Umfang aufzuteilen.
15
Daher ist es im vorliegenden Falle eines erweiterten Umgangs dem Antragsgegner auch zuzumuten, die Kinder während des Umgangs in einzelnen Fällen fremdbetreuen zu lassen. Es besteht für ihn weiterhin die Möglichkeit der Absprache mit der Antragstellerin und einem möglichen Tausch des Umgangswochenendes.
16
Ferner kann er die Kinder gemeinsam mit seiner 12-jährigen Stieftochter betreuen lassen. Die Kinder sind bereits 11 und 14 Jahre alt und benötigen keine lückenlose Anwesenheit einer Betreuungsperson. Auch die Antragstellerin muss gelegentlich Fremdbetreuung in Anspruch nehmen und diese organisieren. Es ist daher auch dem Antragsgegner zuzumuten, sich im Einzelfall um eine entsprechende Fremdbetreuung, während des Drittels der Zeit, die Kinder bei ihm verbringen, zu kümmern.
17
Eine gerichtliche Umgangsregelung muss praktikabel sein. Dies setzt jedoch nicht voraus, dass der Umgang an jeglichem von der Regelung vorgesehenen Termin mit völliger Sicherheit stattfinden kann. Regelmäßig kommt es vor, dass Umgangstermine wegen Krankheit, Urlaubs oder sonstigen besonderen Vorkommnissen nicht stattfinden können oder verschoben werden müssen. Für die Festsetzung einer gerichtlichen Umgangsregelung reicht es daher aus, dass diese grundsätzlich praktikabel ist und regelmäßig wie vorgesehen ausgeübt werden kann. Dies ist bei der vom Erstgericht getroffenen Regelung der Fall, was die geübte Praxis auch zeigt.
18
Im Rahmen der Umgangsregelung, kann der Senat, worauf er vor der Verhandlung bereits schriftlich und im Rahmen des Termins mehrfach mündlich hingewiesen hat, keine flexible Lösung treffen, da eine solche nicht gemäß § 89 FamFG vollstreckbar wäre.
19
Die vom Erstgericht getroffene Umgangsregelung ist ausgewogen und auch nach Überzeugung des Senats praktikabel. Sie entspricht auch dem Wunsch der Kinder. An der durch das Erstgericht getroffenen Regelung ist daher festzuhalten. Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.
III.
20
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 84 FamFG, die Festsetzung des Beschwerdewerts beruht auf § 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 FamGKG.
IV.
21
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen gemäß § 70 Abs. 1, 2 FamFG nicht vor. Die Entscheidung ist daher mit einem Rechtsmittel nicht anfechtbar.