Sohn von Rebiya Kadeer gefoltert

Ablikim Abdiriyim, Sohn der uigurischen Aktivistin Rebiya Kadeer und gewaltloser politischer Gefangener, wird laut Angaben seiner Familie zurzeit in einem Gefängnis in der Autonomen Uigurischen Region Xinjiang gefoltert. Er befindet sich seit dem 3. November in Einzelhaft, seitdem hat sich sein Gesundheitszustand verschlechtert. Seine Familie ist in großer Sorge um Ablikim Abdiriyim.

Appell an

GEFÄNGNISDIREKTOR
Jianyuzhang
Xinjiang Weiwuer Zizhiqu di si jianyu
Kashidonglu , Wulumuqi 830013
Xinjiang Weiwuer Zizhiqu
VOLKSREPUBLIK CHINA
(korrekte Anrede: Dear Prison Governor)

VORSITZENDER DER VOLKSREGIERUNG DER AUTONOMEN
UIGURISCHEN REGION
Nur BEKRI Zhuxi
Xinjiang Weiwuer Zizhiqu Renmin Zhengfu Bangongting
2 Zhongshanlu, Urumqi 830041
Xinjiang Weiwuer Zizhiqu
VOLKSREPUBLIK CHINA
(korrekte Anrede: Dear Chairman)
Fax: (00 86) 991 2817567 oder (00 86) 991 2803621
E-Mail: master@xinjiang.gov.cn

Sende eine Kopie an

MINISTERPRÄSIDENT DER VOLKSREPUBLIK CHINA
WEN Jiabao Guojia Zongli
The State Council General Office
2 Fuyoujie, Xichengqu
Beijingshi 100017, VOLKSREPUBLIK CHINA
(korrekte Anrede: Your Excellency)
Fax: (00 86) 10 659 611 09 (c/o Ministry of Foreign Affairs)

BOTSCHAFT DER VOLKSREPUBLIK CHINA
S.E. Herrn Hongbo Wu
Märkisches Ufer 54, 10179 Berlin
Fax: 030-27 58 82 21
E-Mail: de@mofcom.gov.cn

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Chinesisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 31. Januar 2011 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

SCHREIBEN SIE BITTE FAXE, E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich appelliere an Sie, Ablikim Abdiriyim sofort und bedingungslos freizulassen.

  • Stellen Sie bitte sicher, dass Ablikim Abdiriyim in Haft weder gefoltert noch in anderer Weise misshandelt wird.

  • Ordnen Sie eine umfassende, unabhängige und unparteiische Untersuchung der Vorwürfe der Folter und Misshandlung in Haft an, um die Verantwortlichen in Übereinstimmung mit internationalen Normen vor Gericht zu stellen.

  • Sorgen Sie bitte dafür, dass Ablikim Abdiriyim Zugang zu seiner Familie, seiner rechtlichen Vertretung und jeglicher notwendiger medizinischer Versorgung erhält.

Sachlage

Als Ablikim Abdiriyim am 13. Dezember Besuch von seinen Angehörigen erhielt, sagte er ihnen, dass er gefoltert und seit dem 3. November in Einzelhaft gehalten werde. Seinen Aussagen zufolge wurde er in die Einzelhaft überführt, nachdem er Zeuge eines Vorfalls wurde, den die Behörden geheim halten wollten. Er weigerte sich daraufhin, ein Dokument zu unterschreiben, mit dem er bestreiten sollte, irgendetwas beobachtet zu haben. Seiner Familie zufolge scheint Ablikim Abdiriyim körperlich geschwächt zu sein. Sie machen sich große Sorgen um sein Sehvermögen, da er "schwarze Flecken in den Augen" gehabt habe.

Ablikim Abdiriyim wurde im April 2007 wegen der "Anstiftung zu und Beteiligung an separatistischen Aktivitäten" zu neun Jahren Haft verurteilt. Grund war die Verbreitung von Artikeln über das Internet. Laut Informationen der staatlichen Medien waren seine Rechte während des Verfahrens geschützt. Weiter hieß es, alle Informationen bezüglich des Gerichtsverfahrens seien drei Tage im Voraus bekannt gemacht worden. Außerdem soll er die gegen ihn erhobenen Vorwürfe gestanden haben. Aussagen seiner Familie zufolge hatte er jedoch keinen Zugang zu einer rechtlichen Vertretung seiner Wahl. Zudem wurden die Angehörigen nicht im Voraus über das Verfahren informiert. Sie erheben außerdem den Vorwurf, dass jegliche "Geständnisse" wahrscheinlich durch Folter erzwungen wurden.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Ablikim Abdiriyim war zum ersten Mal im Juni 2006 inhaftiert worden und hatte daraufhin 18 Monate lang keinen Zugang zu seiner Familie. Als seine Angehörigen ihn bei einem 15-minütigen Besuch im Baijiahu-Gefängnis bei Urumqi am 6. Dezember 2007 zum ersten Mal sahen, war er äußerst blass und schwach und hatte offenbar Schwierigkeiten, sie zu erkennen. Er sagte, dass er regelmäßig das Bewusstsein verliere und während der Haft bereits zweimal in ein Koma gefallen sei. Auf Nachfrage bei den Gefängnisbehörden schrieben diese seinen schlechten Gesundheitszustand offenbar einem Herzleiden zu und deuteten an, dass sich sein Zustand noch verschlimmern könnte, wenn er nicht "kooperieren" und "seine Schuld gestehen" würde.

Folter und andere Misshandlungen sind in allen Formen der Haft in China weit verbreitet, obwohl das Land 1988 die UN-Konvention gegen Folter ratifiziert hat. Amnesty International erhält zudem regelmäßig Berichte über Todesfälle in Haft, von denen viele der Folter geschuldet sind, die in einer Vielzahl von staatlichen Institutionen, darunter Gefängnisse, Umerziehungslager und Hafteinrichtungen der Polizei stattfindet. Die Behörden haben zwar zahlreiche gesetzliche Bestimmungen verabschiedet, die das formale Folterverbot im chinesischen Strafrecht stärken sollen. Doch welches Verhalten untersagt wird, ist begrenzt und nicht deckungsgleich mit der Definition von Folter im Völkerrecht. In Artikel 247 und 248 des Strafrechts finden sich mehrere strafbare Handlungen in Verbindung mit dem Folterverbot. Diese Anklagepunkte können jedoch nur gegen bestimmte BeamtInnen unter besonderen Umständen bzw. an speziellen Orten erhoben werden. Die Strafverfolgungsbehörden legen außerdem bestimmte Kriterien für die Aufnahme von Fällen fest, was die Anwendung solcher Bestimmungen weiter einschränkt.

Die chinesischen Behörden bezeichnen häufig jegliche unabhängige Bekundung ethnischer Zugehörigkeit von Seiten der uigurischen Volksgruppe als "Separatismus" oder "religiösen Extremismus". Deshalb haben sie Mitte der 1990er Jahre eine aggressive Kampagne gegen diese so genannten "drei Kräfte des Bösen" gestartet, in deren Folge viele UigurInnen willkürlich festgehalten und als gewaltlose politische Gefangene inhaftiert werden. Seit den Anschlägen auf die USA am 11. September 2011 hat sich die Situation weiter verschlechtert, da die chinesischen Behörden seitdem den weltweiten "Krieg gegen den Terror" dazu nutzen, die extreme Repression der uigurischen Volksgruppe zu rechtfertigen.

Die Familie von Rebiya Kadeer ist seit ihrer ursprünglichen Inhaftierung als politische gewaltlose Gefangene im Jahr 1999 anhaltenden Drangsalierungen von Seiten der Behörden ausgesetzt. Diese haben sich verstärkt, seit Rebiya Kadeer am 17. März 2005 aus gesundheitlichen Gründen aus der Haft entlassen wurde und in die USA ausgewandert ist. Rebiya Kadeer gibt an, dass die Behörden sie davor gewarnt hatten, mit der uigurischen ethnischen Gemeinschaft zusammenzuarbeiten oder sich zu "brisanten Themen" öffentlich zu äußern. Andernfalls würde man "mit ihren Kindern und ihren Unternehmen abrechnen". Am 27. November 2006, einen Tag nachdem Rebiya Kadeer zur Vorsitzenden der Exilorganisation World Uyghur Congress (WUC) gewählt worden war, wurden zwei ihrer Söhne, Alim Abdiriyim und Kahar Abdiriyim, zu Geldbußen in Höhe von umgerechnet mehreren Millionen Euro verurteilt. Gegen Alim Abdiriyim verhängte das Gericht zudem eine siebenjährige Gefängnisstrafe wegen angeblicher Steuerhinterziehung. Darüber hinaus sollen die chinesischen Behörden Anfang April 2007 damit begonnen haben, den Wert der Unternehmen der Familie Kadeer zu schätzen und sie aufzulösen.

Am 5. Juli 2009 führte ein hartes Durchgreifen der Polizei gegen eine anfänglich friedliche Demonstration von UigurInnen in Urumqi zu gewalttätigen Ausschreitungen. Innerhalb weniger Stunden beschuldigten die chinesischen Behörden chinesische Exilorganisationen wie den World Uyghur Congress und damit auch Rebiya Kadeer der, wie sie es nannten, "vorsätzlich geplanten Gewalt". Rebiya Kadeer hat wiederholt jegliches Fehlverhalten bestritten.

Auslöser für die Demonstration in Urumqi war die Tötung von uigurischen WanderarbeiterInnen in der Provinz Guangdong im Süden Chinas gewesen und die Tatsache, dass die Behörden scheinbar nichts bezüglich dieser Fälle unternehmen wollten. Die Proteste geschahen vor dem Hintergrund uigurischer Unzufriedenheit nach Jahren der öffentlichen Unterdrückung und Diskriminierung. Den chinesischen Behörden zufolge starben 197 Personen bei den gewalttätigen Ausschreitungen vom 5. Juli 2009. 156 der Getöteten wurden als "Unschuldige" beschrieben, unter denen sich 134 Han-Chinesen, elf Hui-Chinesen, zehn Uiguren und ein Mandschure befanden. Amnesty International führte nach den Unruhen Interviews mit AugenzeugInnen, die darauf hindeuten, dass unverhältnismäßige Gewaltanwendung von Seiten der Sicherheitskräfte möglicherweise für hunderte weitere getötete UigurInnen verantwortlich ist.