The Wayback Machine - https://web.archive.org/web/20190510123050/https://www.nzz.ch/international/das-historische-bild/albanische-auswanderer-der-rostige-kahn-der-hoffnung-ld.106649

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Der rostige Kahn der Hoffnung

Vor 25 Jahren brachte ein schrottreifer Frachter Tausende von Albanern nach Bari. In Süditalien hofften sie nach Jahrzehnten unter einem kommunistischen Regime auf neue Perspektiven.
Andreas Reich
Albanische Einwanderer drängen sich am 8. August 1991 auf der «Vlora» und im Hafen von Bari. (Bild: Luca Turi / AP)

Albanische Einwanderer drängen sich am 8. August 1991 auf der «Vlora» und im Hafen von Bari. (Bild: Luca Turi / AP)

Der Befehl an die italienische Küstenwache ist klar: Schiffe mit albanischen Emigranten sind abzufangen, bevor sie die Küste erreichen. Doch nicht immer gelingt das. Am 8. August 1991 läuft im Hafen von Bari der schrottreife und kaum seetüchtige Frachter «Vlora» ein. An Bord sind mindestens 10 000 albanische Auswanderer.

Enttäuschte Erwartungen

Nach dem Tod des Diktators Enver Hoxhas im April 1985 und dem Ende der Sozialistischen Volksrepublik im Dezember 1990 waren die Hoffnungen vieler Albaner gross, dass es zu einem Neuanfang und zu wirtschaftlichem Aufschwung kommen würde. Doch bereits im Frühjahr 1991 wurden ihre Hoffnungen bitter enttäuscht: Nach den ersten freien Wahlen stand erneut die Kommunistische Arbeiterpartei als Siegerin da.

Hoxha und seine Kommunisten hatten Albanien während ihrer mehr als vierzig Jahre dauernden Herrschaft völlig von der Aussenwelt isoliert und in eine Art europäisches Nordkorea verwandelt. Reisen ins Ausland waren für die Bevölkerung praktisch unmöglich. Aus Angst vor ausländischen Intrigen liess der Diktator zudem mehr als 700'000 Bunker errichten. Wirtschaftlich hinterliess er das Land in einer desolaten Lage; Handelsbeziehungen nach aussen bestanden kaum.

Als ab 1991 der Erwerb eines Reisepasses möglich wurde und nachdem klargeworden war, dass die Kommunisten an der Macht bleiben würden, sahen viele den Weg über das Meer als einzige Perspektive. Auf der Suche nach Arbeit und Zukunftsperspektiven gelangten bis Ende Juli laut damaliger Berichterstattung der NZZ rund 32'000 Albaner nach Italien. Die italienischen Behörden entschieden zunächst, die Albaner nicht abzuschieben. Im August änderte jedoch die Politik. Die Regierung unter Ministerpräsident Giulio Andreotti entschied, ab sofort alle ankommenden Albaner wieder auszuschaffen.

In Fussballstadion gepfercht

Als die «Vlora» in Bari einlief, konnten die Passagiere den Hafen deshalb zunächst nicht verlassen. Sie waren auf dem Schiff und dem Pier blockiert. Es kam zu Krawallen, einige drohten mit Selbstmord.

Schliesslich entschieden die Behörden, die Einwanderer aus Albanien in ein Fussballstadion zu pferchen. Ihre Versorgung erfolgte wie in einem Kriegsgebiet: Das Essen wurde aus Helikoptern über dem Stadion abgeworfen. Wer auszubrechen versuchte, wurde von der Polizei zurückgeprügelt.

Innerhalb von zwei Wochen wurden die Immigranten mit Schiffen und Flugzeugen zurück nach Albanien gebracht. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International bezeichnete das Vorgehen Italiens als Verstoss gegen die Genfer Flüchtlingskonvention: Die Asylgründe der Flüchtlinge seien nicht im Einzelfall geprüft worden.

Bilder im falschen Kontext

Die Bilder vom mit Menschen überfüllten Pier in Bari tauchen auch 25 Jahre nach dem tatsächlichen Ereignis immer wieder im Internet auf - – allerdings in einem völlig falschen Zusammenhang. So verbreiteten im vergangenen Jahr etwa die rechtsextreme NPD oder ein inzwischen abgewählter Schweizer Nationalrat im Internet ein Bild der Szenerie, um damit Stimmung gegen Flüchtlinge zu machen.

Auch Befürworter einer offenen europäischen Flüchtlingspolitik reissen die Bilder immer wieder aus dem Kontext, zumeist mit dem Hinweis, dass sie Personen zeigten, die im Zweiten Weltkrieg aus Europa nach Afrika geflüchtet seien.

Bari in Süditalien

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