Interview mit EZB-Chef Mario Draghi zur Euro-Krise: Griechen müssen auf Wohlstand verzichten

Von: Von N. BLOME und K. DIEKMANN

BILD: Herr Draghi, Sie sagen, das Schlimmste der Euro-Krise ist vorbei. Aber Griechenland braucht noch weit über 100 Milliarden Euro frische Kredite. Ist das Land ein Fass ohne Boden?

Draghi: „Die Griechen haben sehr viele wichtige Reformen im Parlament beschlossen. Wenn sie die auch in der Praxis umsetzen, hat das Land eine Chance, aus der gegenwärtigen Abwärtsspirale herauszukommen.“

BILD: Bei den anstehenden Wahlen werden aber Parteien gewinnen, die die Reformen ablehnen.

Draghi: „Um die Krise zu überwinden, braucht Griechenland stabile politische Verhältnisse.“

BILD: Warum sollen deutsche und andere Steuerzahler in der Euro-Zone dafür haften, wenn es schiefgeht?

Draghi: „Wahr ist: Die europäischen Steuerzahler haben für Griechenland eine Menge auf sich genommen. Ihr Geld muss geschützt werden. Auch darum hat die EZB nicht am Schuldenerlass teilgenommen – denn das wäre zu Lasten der Steuerzahler gegangen.“

BILD: Wie viel Zeit hat Griechenland noch?

Draghi: „Manche Reformen können sehr schnell wirken. Zum Beispiel würde eine Steuerreform und eine bessere Steuereintreibung die Steuerlast gerechter verteilen. Das ist ein starker Anreiz, mehr zu arbeiten – und das bringt die Wirtschaft schnell wieder auf die Beine.“

BILD: Viele Experten meinen, nur ein Euro-Austritt könnte Griechenland wieder wettbewerbsfähig machen.

Draghi: „Über den Austritt eines Landes aus der Eurozone macht sich die EZB aus Prinzip keine Gedanken.“

BILD: Trotzdem ...

Draghi: „Ein Austritt und die Möglichkeit, die eigene Währung abzuwerten, würden nichts verbessern. Der Zwang zu Reformen würde nicht nachlassen. Auf der anderen Seite wären aber hohe Inflation und Instabilität die Folge eines Austritts – und auf unabsehbare Zeit würde niemand mehr Griechenland das nötige Geld leihen.“

BILD: Müssen die Griechen in jedem Fall auf Wohlstand verzichten?

Draghi: „Ja, genau diesen Wohlstandsverzicht leisten sie gerade durch Lohnkürzungen in allen Bereichen. Aber innerhalb der Euro-Zone ist das immer noch leichter als außerhalb.“

BILD: Gibt es eine Grenze für die Unterstützung? Oder geht das immer so weiter?

Draghi: „Das kann ich nicht beantworten. Wir müssen sehen, wie es in dem Land weitergeht. Generell gilt: Wenn wir das Geld der Steuerzahler schützen wollen, darf aus der Euro-Zone keine Transferunion werden, in der ein, zwei Länder zahlen, der Rest ausgibt und das Ganze durch gemeinsame Eurobonds finanziert wird. Das darf nicht sein.“

BILD: Viele Parteien, auch in Deutschland, fordern das.

Draghi: „Eine Gemeinschaft muss auf Vertrauen gründen, auf Vertrauen in die Einhaltung gemeinsamer Regeln für zum Beispiel Haushaltsdisziplin. Deshalb ist der neue Fiskal-Pakt der Euro-Staaten richtig, und deshalb wäre es zu früh für Eurobonds.“

BILD: Setzt sich da die Bundeskanzlerin durch?

Draghi: „Ich sage es so: Ohne den Druck der Märkte und der Deutschen hätten wir viele der Fortschritte in den verschiedenen Euro-Staaten nicht gemacht.“

Lesen Sie hier den ersten Teil des Interviews mit Mario Draghi

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