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Der für seine publikumsscheue Haltung berühmte amerikanische Autor Thomas Pynchon hat seine Bücher für den E-Book-Markt freigegeben, was auch in den europäischen Feuilletons für viel Aufmerksamkeit sorgt. Die E-Books sind im Vormarsch, zumal in den USA. Der Kampf um die Preispolitik dieses Marktes ist derzeit Gegenstand eines komplizierten Rechtsstreits.

Andrea Köhler
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Andrea Köhler

Die Meldung, dass sich nun auch der Schriftsteller Thomas Pynchon den Gesetzen des Marktes beugt und seine Bücher zum Herunterladen freigibt, ist in den Feuilletons diesseits und jenseits des Atlantiks mit gespieltem Entsetzen zur Kenntnis genommen worden – als hätte der grosse Unbekannte der amerikanischen Literatur seinen Eid gebrochen und sich die Papiertüte vom Haupt gezogen. (Pynchon, von dem nur eine einzige Jugendfotografie kursiert, ist einmal als eine Figur der Comic-Serie «Die Simpsons» mit einer Tüte über dem Kopf aufgetreten, sprich: Der 75-jährige Autor gab ihr seine Stimme.) Dass der Verschwörungs-Spezialist und gewiefte Adept der Pop-Kultur, dessen Œuvre im Netz über eine glühende Fangemeinde verfügt, sich nun auch im E-Book-Format vermarkten lässt, ist freilich nicht weiter erstaunlich: Autoren, die sich der digitalen Branche verweigern, droht mittlerweile ein wichtiges Marktsegment wegzubrechen – jene Leser nämlich, die nur noch auf E-Readern Bücher verschlingen. Nachdem seine letzten beiden Werke nicht den erhofften Erfolg gehabt hatten, gab Pynchon dem Drängen seines Verlages nach und seine gesamte Backlist frei. Nun kann man «Gravity's Rainbow» also «vom Tablet wegschlotzen» («Süddeutsche Zeitung»).

Kampf um den E-Book-Markt

Die Nachricht über Pynchons Kotau wird von einer Meldung der American Publishers Association flankiert, nach der die Einkünfte aus dem E-Book-Geschäft jene der Hardcover erstmalig übersteigen. Während die Akzeptanz des digitalen Lesens in anderen Ländern nur langsam wächst – am resistentesten sind diesbezüglich ausgerechnet die Japaner –, hat der Verkauf von E-Books beim amerikanischen Anbieter Amazon jenen der Hardcover schon im Jahre 2010 übertrumpft. Der Kampf um den E-Book-Markt und dessen Preispolitik – in den USA gibt es keine Preisbindung – ist derzeit Gegenstand eines komplizierten Rechtsstreits, dessen Ausgang auch für den europäischen Buchmarkt nicht ohne gravierende Folgen sein dürfte.

Mitte Mai hatte das US-Justizministerium eine Kartellrechtsklage gegen Apple und fünf grosse amerikanische Buchverlage erhoben. Dem Betreiber des iBookstore und den Verlagen Harper Collins, Hachette, Simon & Schuster, Macmillan und Penguin wird vorgeworfen, illegale Preisabsprachen für den Verkauf von elektronischen Büchern getroffen zu haben. Apple und die Verlagshäuser waren angetreten, um der von Amazon aggressiv betriebenen Billigpreispolitik auf diesem Gebiet Paroli zu bieten. Amazon, so ihr Hauptargument, habe die E-Books unter dem Einkaufspreis weiterverkauft, um sein Lesegerät Kindle unter die Leute zu bringen und seine Monopolstellung auf dem E-Book-Markt zu konsolidieren. Eine diesbezügliche Klage der Hachette Book Group gegen Amazon wurde 2009 abgeschmettert, da das Justizministerium nicht den Konzern, sondern den Konsumenten als Profiteur der Niedrigpreise ansah.

Apple gegen Amazon

Nun ist der Krieg auf dem E-Book-Markt mit der Kartellrechtsklage gegen Apple und die Verlage in eine weitere Runde getreten. Drei Verlage haben schon in einen Vergleich eingestimmt, weil sie die Prozesskosten nicht mehr tragen können; doch Apple, Macmillan und Pynchons Verlag Penguin sind entschlossen weiterzukämpfen. Der «New Yorker» zeichnet in seiner letzten Ausgabe im Fall ihrer Niederlage ein finsteres Bild. Danach will der Gründer von Amazon die traditionellen Vermittler – Verlage, Buchläden, Agenten und andere Mittelsmänner – sukzessive ausschalten und Bücher nur noch elektronisch herstellen. Im schlimmsten Fall würde Amazon «die einzige Firma, die effektiv Bücher herstellen und vertreiben kann». Der Buchmarkt, ohnehin in einem galoppierenden Erosionsprozess begriffen, würde völlig zerstört.

Die Buchläden, die für die Verlage noch immer die wichtigste Plattform sind, um Käufer für Bücher zu finden, sind als Erstes dran. Bei Amazon haben Verleger keinerlei Einfluss auf die Vermittlung ihres diversifizierten Programms; Käufer eines Buches werden stets nur auf ähnliche Titel verwiesen. Es würde praktisch unmöglich, Kunden für unbekannte Autoren und andere Genres zu interessieren. Auch die Buchgestaltung spielt dann keine Rolle mehr. Die Vielfalt des Buchmarktes würde weiterhin aufgeweicht, das gebundene Buch würde verschwinden. Schwarzmalerei? Ikea ist schon dabei, seine Regalsysteme kleiner zu machen.