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Direct Air Capture:

Staubsauger fürs Klima

CO2 aus der Luft fangen: Lässt sich damit das Klima retten? Ein Überblick über erste Erfolge, Herausforderungen und Perspektiven.

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© Daria Fürst / BDEW

Wer den internationalen Flughafen Keflavík auf Island ansteuert, sieht mit Glück und klarer Sicht viel unberührte Natur. Doch auch auf Island gibt es Treibhausgase, auch hier ist die Erderwärmung spürbar: Der Eisstrom Okjökull etwa war 2014 so weit abgetaut, dass er seinen Status als Gletscher verlor.

Die Belastung des Klimas mit immer weiteren schädlichen Gasen will das Schweizer Unternehmen Climeworks auf der Insel Island mindern: mittels direkter Abscheidung von CO2 aus der Luft. Fachleute nennen solche Verfahren DAC (Direct Air Capture). Auf der Hochebene Hellisheiði hat Climeworks 2021 eine DAC-Anlage mit dem Namen „Orca“ in Betrieb genommen. Es ist ein Plan, der auf den ersten Blick wie eine Träumerei wirkt: Warum das schädliche CO2 nicht einfach wie mit einem gigantischen Staubsauger aus der Luft absaugen und anschließend klimaneutral verstauen? Soweit die Idee. Kann das klappen?

Bei DAC wird Umgebungsluft über Ventilatoren angesaugt und strömt durch ein hochselektives Filtermaterial, an dem die CO₂-Moleküle haften bleiben. Ist der Filter gesättigt, wird er mit Hitze aus einem nahegelegenen Geothermiekraftwerk erhitzt. Anschließend lässt sich das konzentrierte Kohlendioxid als reines Gas aus dem Filter ableiten. 

DAC: Wegbereiter zu den Klimazielen

Dr. Oliver Geden, Politikforscher bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin und Leitautor des neusten Weltklimaberichts, beschreibt CO2-Entnahme als „notwendig, um Klimaziele zu erreichen, die wir uns alle gesetzt haben. Und Direct Air Capture ist eine Technologie, die sicherlich in Zukunft eine wichtige Rolle spielt.“ Nicht zuletzt angesichts der geopolitischen Situation, in der CO2-Reduktion und Rohstoffversorgung stärker im Verbund betrachtet werden, wirkt die DAC-Technologie zunehmend interessant. Denn nicht nur dem Erreichen der Klimaziele könnten die Anlagen auf die Sprünge helfen, sie können auch neue Wege zur Rohstoffgewinnung weisen: Nach der Abscheidung ist eine weitere Nutzung des Kohlenstoffdioxids möglich. So hat Climeworks das in seiner ersten kommerziellen Anlage in der Schweiz abgeschiedene CO2 als Dünger an Treibhäuser und als Kohlensäure an Getränkehersteller geliefert. 

Bei „Orca“ indes wird das konzentrierte CO2 in der Erde gespeichert. Ist es abgeschieden, wird es mit Wasser vermischt und tief in die Erde gepumpt. Durch natürliche Mineralisierung reagiert der Kohlenstoff mit dem Basaltgestein im Untergrund und versteinert innerhalb weniger Jahre. 

„Orca“, die größte kommerzielle DAC-Anlage der Welt, ist ein Wellblechbau umgeben von vier stehenden Paneelen, jedes von ihnen bestückt mit zwei Behältern für jeweils sechs CO2-Sammelkammern. Dank ihres modulhaften Aufbaus können solche Anlagen in verschiedenen Größen überall dort gebaut werden, wo für den Erhitzungsprozess Erneuerbare Energien verfügbar und die Möglichkeit geologischer CO2-Speicherung gegeben ist. Diesen Juni hat Climeworks den Grundstein für die nächstgrößere Anlage mit dem Namen „Mammoth“ gelegt. Mit mehr Modulen soll sie 36.000 Tonnen jährlich abscheiden. 

Teuer und energieintensiv

Doch auch Hindernisse stehen der Technologie im Weg. Sogar für die harschesten Wetterverhältnisse Islands, hatte Climeworks ursprünglich mitgeteilt, seien die Anlagen geeignet. Im ersten Winter haben die eisigen Temperaturen allerdings Teile der Maschinerie einfrieren lassen. Dagegen müssen die Betreiber die Anlage nachrüsten. Außerdem ist die Technologie im Vergleich zu anderen Klimaschutzmaßnahmen teuer. Noch kostet DAC pro Tonne rund 800 bis 1.000 Euro – viel Geld im Vergleich zu den Modellen, mit denen etwa Privatpersonen die Emissionen ihrer Flugreisen ausgleichen. 

Noch am Beginn seiner Entwicklung muss sich das direkte Entfernen von CO2 in Sachen Effizienz erst bewähren: Insbesondere das Aufheizen der Filter ist energieintensiv. Dabei eingesetzte Niedertemperaturverfahren, mit denen auch Climeworks arbeitet, extrahieren laut einem Forscherteam von der Universität Freiburg rund 90 Prozent CO2. Hochtemperaturverfahren, wie sie etwa das Unternehmen Carbon Engineering im kanadischen British Columbia einsetzt, erzielen eine Extraktionsrate von nur 42 Prozent.

Doch „bei DAC hat jede Technologie ihre Daseinsberechtigung“, sagt Dominik Heß, Doktorand am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Anlagen mit Niedrigtemperaturverfahren seien modular und könnten daher auch sehr klein ausgeführt werden. Für Hochtemperaturverfahren sprächen indes Kostenvorteile. Sie lassen sich nur in großen Anlagen realisieren, die entsprechend viel CO2 filtern.

Perspektive: Zweite Hälfte des Jahrhunderts

Dass der Weg noch weit ist, illustriert eine Studie der wissenschaftlichen Fachzeitschrift Nature: 3.683 DAC-Anlagen mit einer CO2-Entnahmeleistung von 100.000 Tonnen pro Jahr wären aktuell nötig, um der Atmosphäre nur ein Prozent der jährlichen CO2-Emissionen zu entziehen. Der Strombedarf dieser Anlagen würde das globale Stromangebot überschreiten. Beide Air-Capture-Verfahren benötigten rund 1.000 Kilowattstunden für eine Tonne CO2 – bei der Verkehrs- und Wärmewende liege der zusätzliche Strombedarf in der gleichen Größenordnung, erklären die Freiburger Forscher. Emissionsminderung sei „kosteneffektiver und umweltschonender als das Direct-Air-Capture“, solange Erneuerbare weltweit eine knappe Ressource seien, so die Freiburger Forscher. Wenn Stromgewinnung und Wirtschaft in ein bis zwei Jahrzehnten aber bereits weitgehend dekarbonisiert seien, könne DAC in großem Stil durchaus einen effizienten Beitrag für den Klimaschutz leisten. 

„Die Luftfilter schaffen viel Klimaschutz auf besonders wenig Platz“, so Koautor Felix Creutzig vom Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change in Berlin. Zunächst solle sich „der Klimaschutz vor allen Dingen auf die herkömmlichen Maßnahmen fokussieren, wirklich CO2 zu vermeiden.“ Gleichzeitig müsse man aber darüber nachdenken, was nach 2040, 2050 passiere.

Ob bis dahin genug DAC-Anlagen entstehen werden, um deutsche wie internationale Klimaziele zu erreichen? „Das hängt sehr davon ab, wie entschlossen man sich jetzt diese Aufgabe vornimmt,“ sagt Professor Roland Dittmeyer vom KIT, und schließt mit den Worten: „Wir müssen das machen, das ist unsere Verpflichtung. Wir können nicht ewig rumdiskutieren, sondern müssen handeln.“



An den Okjökull-Gletscher, kurz „Ok“, der auf Island verschwand, erinnert seit dem 18. August 2019 eine Gedenktafel. Zu lesen ist die Überschrift „Brief an die Zukunft“, darunter: „Ok ist der erste Gletscher auf Island, der seinen Status als Gletscher verliert. In den kommenden 200 Jahren könnten ihm alle unsere Gletscher folgen. Diese Gedenkstätte soll bezeugen, dass wir wissen, was geschieht und was zu tun ist. Nur ihr wisst, ob wir es getan haben.“

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