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Balkan-Asylbewerber sollen weniger Geld bekommen

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) stellt die Visafreiheit für die Balkanländer infrage Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) stellt die Visafreiheit für die Balkanländer infrage
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) stellt die Visafreiheit für die Balkanländer infrage
Quelle: dapd
Die EU-Innenminister beraten über die steigende Zahl von Asylbewerbern aus Serbien und Mazedonien. Bundesinnenminister Friedrich will weniger Bargeld an Betroffene auszahlen.

Es ist nicht lange her, da wurde die Aufhebung der Visumspflicht für Balkanländer als großer Erfolg der europäischen Politik für das ehemalige Jugoslawien gefeiert. Mittlerweile hat jedoch vor allem bei Innenpolitikern Ernüchterung eingesetzt. Die Zahl der Ankömmlinge sind in die Höhe geschnellt. In Bayern beispielsweise sind die Aufnahmezentren in München und Zirndorf überfüllt.

Nachdem Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich(CSU) vor zwei Wochen eine Aussetzung der Visafreiheit für Serbien und Mazedonien gefordert hat, wollen sich am Donnerstag nun die EU-Innen- und Justizminister damit befassen. EU-Diplomaten sehen die Bedingungen für eine Aussetzung im Fall von Deutschland erfüllt.

Zahlen steigen seit Monaten an

Hintergrund der Diskussion ist ein Anstieg von Asylanträgen aus Serbien und Mazedonien. Die Zahlen stiegen seit Monaten an. Allein im Oktober könnten so viele Anträge gestellt werden wie in einem gesamten Vierteljahr 2011.

Für die erhöhten Zahlen gibt es laut Innenpolitikern vor allem zwei Gründe: Die Einwohner der beiden Balkanstaaten können seit Dezember 2009 ohne Visum in die EU einreisen. In Deutschland hatte zudem das Bundesverfassungsgericht im Juli entschieden, dass die Leistungen für Asylbewerber erhöht werden müssen.

Friedrich plädiert für Gesetzesänderung

Eine Aussetzung der Visafreiheit für ein halbes Jahr ist möglich. Dies kann um zwölf Monate verlängert werden. Voraussetzung ist laut EU-Diplomaten der „erhebliche und plötzliche Anstieg“ von Asylanträgen in einem Land sowie eine hohe Zahl „offensichtlich unbegründeter Anträge“. Den Angaben zufolge wird zunächst jedoch darüber diskutiert, wie sich der Lebensstandard in den Herkunftsländern verbessern lässt, um Asylmissbrauch zu verhindern.

Friedrich plädiert für eine Gesetzesänderung. „Wer aus einem sicheren Herkunftsstaat kommt, soll künftig eine abgesenkte Barleistung erhalten“, sagte der Bundesinnenminister der „Welt“. Zudem verlangt er für eine schnellere Entscheidung über die Asylanträge: Ein Schnellverfahren binnen 48 Stunden wie in der Schweiz sei zwar aufgrund der Rechtsmittelfristen „wohl nicht möglich. Aber Abwicklung innerhalb kürzest möglicher Zeit bleibt das Ziel“. Wirtschaftsminister und FDP-Chef Philipp Rösler hatte sich gegen Friedrich gestellt und will die Visafreiheit nicht zur Disposition stellen.

In einem der „Welt“ vorliegenden Schreiben an die EU-Ratspräsidentschaft, die EU-Kommissarin Cecilia Malmström und europäische Ressortkollegen (Belgien, Frankreich, Niederlande, Luxemburg, Schweden) sowie die Europäische Kommission weist Friedrich auf die problematische Lage hin und spricht von einer „besorgniserregenden“ Situation. Zudem würden die Asylanträge „unsere bereits angespannten Aufnahmesysteme zunehmend belasten“. Überdies unterstreicht Friedrich: „Auch erscheint es wichtig, die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedsstaaten im Bereich des Schutzes Außengrenzen zu stärken.“

Kirchen kritisieren Vorschläge des Innenministers

Die Kirchen mahnen demgegenüber zu Besonnenheit in der Debatte. Die katholische Deutsche Bischofskonferenz und die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) erklärten, jeder Asylsuchende habe auch angesichts gestiegener Bewerberzahlen das Anrecht auf eine unvoreingenommene und gründliche Prüfung seines Asylantrags.

Die Kirchen folgen der Ansicht der Organisation Pro Asyl und gehen davon aus, dass es sich bei den Bewerbern weniger um Wirtschaftsflüchtlinge, sondern vor allem um Roma handeln würde, die vor schlechten Lebensbedingungen und dem nahenden Winter fliehen würden. Nach bisheriger Gesetzeslage seien Serbien und Mazedonien zudem nicht als sichere Herkunftsstaaten eingestuft. Für den Zentralrat Sinti und Roma sind die Äußerungen Friedrichs „diskriminierend“ und „ein Stückweit Hetze“.

Mehr Beamte für die Bearbeitung der Anträge

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Um die aktuellen Verfahren zu bearbeiten, hat Friedrich 60 zusätzliche Beamte zum Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Nürnberg beordert: „Es muss sichergestellt sein, dass die Verfahren rasch bearbeitet werden“, erklärte der Minister. Das Bundesamt kündigte an, die Asylverfahren von Serben und Mazedoniern erheblich zu beschleunigen.

Die Verfahrensdauer solle von zwei auf einen Monat verkürzt werden, „einschließlich des Rechtswegs“, sagte Behördenchef Manfred Schmidt. Er wies darauf hin, dass nach seiner Schätzung weitere 160 Asyl-Entscheider nötig wären, um die angestiegenen Asylbewerberzahlen bewältigen zu können.

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