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In Duisburg kommen Flüchtlinge jetzt ins Zeltlager

Hier quartiert Duisburg Flüchtlinge ein

Die Aktion stößt auf Kritik: Die Stadt Duisburg hat auf einem Sportplatz eine Zeltstadt errichten lassen. In Zukunft wohnen hier Flüchtlinge. Bis zu 150 Menschen sollen Platz finden.

Quelle: N24

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Das neue Auffanglager für Asylsuchende in Duisburg besteht aus 20 Zelten. Nicht nur die Grünen, auch die CDU übt daran deutliche Kritik: Die Unterbringung ohne fließendes Wasser sei unwürdig.

Die Mitarbeiter des Deutsches Roten Kreuzes haben lange darüber nachgedacht, ob sie den Auftrag des Duisburger Stadtdirektors annehmen, eine Zeltstadt für Asylsuchende aufzubauen. „Aber wir helfen, wo Not ist“, sagt Reginald Berndt vom nordrhein-westfälischen Landesverband des DRK. „Und diesen Einsatz betrachten wir auch als Nothilfe.“

Auf dem stillgelegten Ascheplatz der Sportfreunde Walsum 09, dem nördlichsten Bezirk Duisburgs an der Grenze zu Oberhausen und dem Niederrhein, stehen nun 20 Zelte mit jeweils 30 Quadratmetern. Hinzu kommen mehrere Aufenthaltszelte und eines für Kinderbetreuung. Zusammen bilden sie das neues Asyl-Auffanglager der Stadt, das heute Mittag offiziell eingeweiht wurde.

Wachleute passen nun auf, dass niemand Randale macht, das Gelände ist eingezäunt, der Zutritt verboten. Wasserleitungen gibt es nicht, stattdessen Dixi-Klos und Duschcontainer. 150 Flüchtlinge haben hier Platz, die ersten 70 Bewohner sollen am kommenden Montag einziehen. Bis dahin sollen weitere Heizungen und Böden für die Zelte eingetroffen sein. Wasserpfützen breiten sich derweil auf der Aschefläche aus. Die Flüchtlinge, die hier einziehen sollen, stammen vor allem aus Syrien. Sie ziehen vom Zeltlager in der jordanischen Wüste ins Zeltlager in der Ruhrstadt.

Maximale Nutzung bis zum Wintereinbruch

„Die Zeltstadt kann maximal bis zum Wintereinbruch genutzt werden“, sagt Reginald Berndt vom Roten Kreuz. „Alles andere wäre mit unseren Grundsätzen nicht vereinbar.“ Das Auffanglager gilt als abschreckendes Beispiel dafür, wie unzureichend ein reiches Land auf Flüchtlinge aus Krisengebieten eingestellt ist. 1500 Asylbewerber gibt es derzeit in Duisburg, die meisten kommen aus Syrien, Eritrea, Serbien und Afghanistan. Etwa die Hälfte von ihnen ist in privaten Wohnungen untergebracht.

„In Duisburg sind die Kapazitäten voll ausgeschöpft“, sagt der Stadtdirektor Reinhold Spaniel (SPD). Der Betreuungsaufwand der dezentral untergebrachten Flüchtlinge sei enorm, Sozialarbeiter müssten die Familien alle einzeln aufsuchen. Die Zeltstadt sei eine „Überbrückungslösung“ bis zum Wintereinbruch gedacht, es handele sich um eine „Notmaßnahme“. Schließlich rechne man mit rund 130 Neuankömmlingen pro Monat. „Es ist auch nicht mein Wunsch, die Menschen in Zelten unterzubringen“, sagte Spaniel der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“. „Wir haben keine anderen Möglichkeiten. Ich lebe bei der Unterbringung quasi von der Hand in den Mund.“

Sieben Standorte will Spaniel für die Unterbringung von Flüchtlingen einrichten. Erst zwei davon sind fertig, die anderen können erst im kommenden Jahr bezogen werden. Lärmgutachten, Umweltverträglichkeitsprüfung, Störfallgutachten, Auflagen für den Brandschutz – allein die Vorschriften für den Bauantrag zu erfüllen dauere fast ein Jahr, sagt Spaniel.

Union: Flüchtlinge brauchen mitteleuropäischen Standard

Dennoch – eine Unterbringung in Zelten könne keine dauerhafte Lösung sein. „Zelte dürfen nur eine Ultima Ratio, die letzte Möglichkeit der Unterbringung sein“, sagte Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) der „Welt“. „Bund und Länder müssen dafür sorgen, dass die Flüchtlinge nach mitteleuropäischen Standards untergebracht werden. Der Bund sollte bereit sein, dafür auch Bundesliegenschaften wie leer stehende Kasernen zur Verfügung zu stellen. Das muss ernsthaft geprüft werden.“

Im Stadtgebiet von Duisburg stehen etliche Schulgebäude leer. Der Wohnungsleerstand in der Stadt ist hoch.

Auch die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung Aydan Özoguz, Parteifreundin des Duisburger Oberbürgermeisters Sören Link (SPD), übt leise Kritik. „Wir erleben zur Zeit dramatische Menschrechtskrisen auf der Welt, wie seit vielen Jahrzehnten nicht mehr. Als starkes Land übernimmt Deutschland Verantwortung für die Menschen auf der Flucht. Klar ist, dass diese Verantwortung Bund, Länder und die Kommunen vor große Herausforderungen stellt“, sagt Özoguz der „Welt“.

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„Es liegt auf der Hand, dass für diese Frauen, Männer und Kinder eine Unterbringung in Zelten, wenn überhaupt, nur als Ultima Ratio in Betracht gezogen werden darf, die den Kommunen kurzfristig hilft, schnell adäquate Unterkünfte zu finden.“

„Auch andere Kommunen müssen mit steigenden Zahlen umgehen“

Schärfere Kritik übt die Vorsitzende der Grünen Simone Peter. „Traumatisierte Flüchtlinge in Zeltstädten unterzubringen ist unwürdig“, sagte Peter der „Welt“. In Duisburg seien noch längst nicht alle Unterbringungsmöglichkeiten ausgeschöpft. „Aber auch der Bund ist gefordert, den Kommunen unter die Arme zu greifen, anstatt dringend benötigte Entlastungen immer wieder zu verschieben. Ein Gipfel von Bund, Ländern und Kommunen zur besseren Koordinierung der Unterbringung ist längst überfällig.“

Vor allem dürften Flüchtlingsgruppen nicht gegeneinander ausgespielt und so das individuelle Menschenrecht auf Asyl ausgehebelt werden, wie es für hilfebedürftige Asylbewerber aus dem Westbalkan über das Konstrukt der sicheren Herkunftsstaaten vorgesehen ist. „Wir brauchen eine Willkommenskultur, die ihren Namen auch verdient“, sagte Peter.

Ihre Kollegin Monika Düker, flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion in NRW, pflichtete ihr bei. „Die Unterbringung von Flüchtlingen in einer Zeltstadt ist ein Armutszeugnis für die Stadt Duisburg“, sagte Düker. „Auch andere Kommunen müssen derzeit mit steigenden Flüchtlingszahlen umgehen und finden alternative Möglichkeiten zu ihrer Unterbringung wie Hotels, Anmietung von privaten Wohnhäusern und im Notfall auch Containern. Dass dies in Duisburg nicht möglich sein sollte, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.“

„Dschungelheime“ ohne Anbindung sind keine Lösung

Besonders in den vergangenen zwei Jahren sind die Zahlen der Asylsuchenden in Deutschland stark angestiegen. 2013 gab es mehr als doppelt so viele Erstanträge auf Asyl (109.580) wie zwei Jahre zuvor (45.741). Die Organisation Pro Asyl geht davon aus, dass es in diesem Jahr zu 200.000 Anträgen kommen könnte. 97.093 Asylanträge (Erst- und Folgeanträge) hat es bereits in den ersten sechs Monaten 2014 gegeben.

Fast jeder zweite Antrag wird vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge anerkannt – eine so hohe Anerkennungsquote gab es schon lange nicht mehr. „Deutschland muss einen Weg finden, wie es mit dieser neuen Situation umgehen will“, sagt Bernd Mesovic, stellvertretender Geschäftsführer von Pro Asyl. „Eigentlich seien sich Politiker und Menschenrechtler längst klar gewesen, dass sogenannte „Dschungelheime“ ohne Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr keine geeignete Lösung seien. „Der Trend kehrt sich derzeit wieder um“, sagt Mesovic. „Jetzt heißt es wieder: Wir nehmen, was wir kriegen können!“

Pro Asyl befürwortet die Unterbringung in privaten Wohnungen. Die Bundesländer gehen mit den Flüchtlingen sehr unterschiedlich um. So betrug die „Wohnungsquote“ Ende 2012 beispielsweise in Rheinland-Pfalz 91,81 Prozent, in Bayern 33,83 Prozent.

Mitarbeit: Thomas Vitzthum und Claudia Kade

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