Dr. Bernd Slaghuis

Dr. Bernd Slaghuis

für Job & Karriere, berufliche Neurorientierung, Bewerbung

5 Gründe, warum Du nach 100 Bewerbungen immer noch keinen neuen Job hast

Du schickst massenweise Bewerbungen raus, erhältst jedoch nur Absagen? Dann machst auch Du vermutlich einen dieser fünf typischen Fehler. So kommst Du aus der Frustspirale und findest wieder zu neuer Stärke. 

Wenn mir Jobwechsler•innen im Vorgespräch für ein Coaching erzählen, dass sie auf 100 Bewerbungen nur Absagen erhalten haben, dann weiß ich, dass hier systematisch etwas schief läuft. Es hat nie etwas mit ihrer Qualifikation zu tun, sondern sie selbst sind es, die sich mit steigender Anzahl der Bewerbungsversuche immer stärker im Weg stehen. 

Schaue ich mir Lebensläufe und Anschreiben von Bewerberinnen und Bewerbern im Vorfeld eines Coachings an und kenne ihre Geschichte noch nicht, dann kann ich inzwischen schon anhand der Unterlagen erkennen, wie lange sie bereits auf der Suche und wie frustriert sie sind. Sprechen wir über die Stellen, die sie für sich auswählen oder sind sie bei mir, um sich auf Gespräche vorzubereiten, werden die Wunden der vielen Bewerbungen und Absagen der letzten Monate deutlich sichtbar. Viele sind über sich selbst erschrocken, wie sehr sie sich über die Zeit verändert haben und welche Auswirkungen dies auch auf ihre Stellensuche sowie ihre Bewerbungsunterlagen hat.

Es ist entscheidend, sich dieser Aspekte bewusst zu werden, es aus dem monotonen Bewerbungstrott heraus zu schaffen und vielleicht sogar einmal „zurück auf Los“ zu gehen. Wenn 100 oder mehr Bewerbungen nur Absagen zur Folge hatten, dann wird es Zeit, etwas zu verändern. 

Vielleicht erkennst ja auch Du Dich in einer dieser fünf Verhaltensweisen und kannst mit meinen Tipps zu neuer (alter) Stärke als Bewerber•in finden:

1 | Du bist zum verzweifelten Bittsteller geworden

„Vielen Dank im Voraus, dass Sie meine Bewerbung berücksichtigt haben“ lese ich immer wieder im letzten Absatz eines Anschreibens. Wie klein kann man sich eigentlich noch machen?, geht mir jedes Mal durch den Kopf. Es ist schließlich der Job eines Recruiters, Bewerbungen zu lesen. Bitte, bitte, lieber Recruiter, gib mir eine Chance und lass mich dir alles im Gespräch erklären. Das ist es, was in den Unterlagen vieler extrem frustrierter Jobwechsler häufig und für jeden geschulten Leser offensichtlich mitschwingt.

Da kein Arbeitgeber Deine Bewerbungshistorie kennt und Deine Verzweiflung unter Druck nicht mitfühlen kann, zählt nur der erste Eindruck, den Deine Unterlagen vermitteln. Mal angenommen, Du wärst Recruiter•in oder Führungskraft im Unternehmen – würdest Du einen Bewerber einladen, der sich als verzweifelter Bittsteller präsentiert? Zugegeben, eine rhetorische Frage.

Mein Tipp:

Lege ganz bewusst einmal eine Pause ein. Ich weiß, das klingt absurd, schließlich hast Du keine Zeit zu verlieren und vermutlich sitzt Dir auch die Arbeitsagentur im Nacken. Doch was sind ein paar Tage bewusste Bewerbungspause zum Luft holen, wieder Kraft tanken und zur Reflexion, wenn es dann mit dem neuen Job im Anschluss umso schneller klappt?

Es geht darum, nach derart vielen Bewerbungen aus der Frustspirale rauszukommen und wieder in eine Haltung aus neugieriger Lust auf Neues sowie echtem Interesse an spannenden Stellen und passenden Arbeitgebern zu finden. Nimm Dir die Zeit, die Du hierfür benötigst und erlaube Dir ganz bewusst für einige Tage mal wieder mehr von dem, was Dir persönlich guttut und Dir neue Energie gibt. Vermutlich gewinnst Du in dieser Bewerbungs-Auszeit neue, wertvolle Erkenntnisse für Dich und siehst Deine Bewerbungsaktivitäten der letzten Wochen oder Monate mit ganz anderen Augen.

2 | Du suchst systematisch nach zu niedrigen Stellen

Immer wieder höre ich von Bewerbern, die bereits sehr lange auf Jobsuche sind, dass sie bei den Stellen ja schon Abstriche gemacht haben, doch es selbst bei Positionen mit niedrigerem Anforderungsniveau bisher nicht funktioniert habe. Ein Denkfehler, der ihnen allen im Coaching sofort bewusst wird.

Arbeitgeber entscheiden nach Passung eines Lebenslaufs zu einer ausgeschriebenen Position. Wer sich etwa als bisheriger Marketing-Manager mit Führungsverantwortung nun als Referent Marketing bewirbt, der passt nicht. „Selbst bei solchen Positionen habe ich keine Chance“, sagen mir Klienten und ich antworte „Gerade bei solchen Positionen haben Sie keine Chance“.

Mein Tipp:

Reflektiere und kalibriere Deine Jobsuche monatlich. Vielen meiner Klientinnen und Klienten ist es nicht bewusst, dass sie mit der Zeit und jeder neuen Absage bei der Auswahl ihrer Zielpositionen immer weiter nach unten gerutscht sind. Mache Dir wieder neu bewusst, in welchen Positionen Dein Fach- und Erfahrungswissen einen hohen Wert hat und wo Du möglichst viele Deiner Stärken einbringen kannst. Was ist es wirklich, das Dich reizt, motiviert und wofür Du in den nächsten Jahren morgens aufstehen möchtest? Erlaube Dir bewusst, Dich womöglich sogar auf höhere Positionen zu bewerben, die Du Dir zutraust, denn diese sind es eher, die auch einem neuen Arbeitgeber als konsequent nächstem Schritt glaubwürdig erscheinen.

3 | Du hast deinen Lebenslauf über-optimiert

Wenn Du schon lange Zeit als Bewerber•in unterwegs bist, dann hast Du vermutlich inzwischen etliche Versionen Deines Lebenslaufs. Du glaubst, mit jeder Überarbeitung etwas besser zu machen und damit Deine Chancen auf den nächsten Job erhöhen zu können, doch ich mache die Erfahrung, dass Lebensläufe auch „kaputt“ optimiert werden können.

Viele Köche verderben den Brei – das trifft auch auf Deinen Lebenslauf zu, je mehr Du frustriert von vielen Absagen andere Meinungen einholst. Was anfänglich noch übersichtlich und gut lesbar war, wird mit der Zeit zu einem Dokument mit Textklötzen in Schriftgröße 9 und minimalem Rand. Sagen mir Klienten, dass sie schon bei anderen Bewerbungscoachs waren und viele Ratgeber gelesen haben, dann spiegelt sich dies immer auch in ihren Unterlagen wider - und häufig nicht zum Positiven.

Mein Tipp:

Gehe selbst einmal auf Distanz zu Deinen Bewerbungsunterlagen und lasse sie auf Dich wirken. Wortwörtlich: Drucke Deinen Lebenslauf aus und wirf mit etwas Abstand einen Blick darauf. Wie wirkt das Dokument auf Dich? Luftig locker lesbar oder vollgestopft und anstrengend zu erfassen? Bist Du es noch, dem dieser Lebenslauf gehört? Erkennst Du Dich selbst noch darin? Fühlst Du Dich selbst mit diesem Lebenslauf als Lauf Deines Lebens wohl und stehst Du voll dahinter oder besteht er nur noch aus den Meinungen und Tipps anderer Menschen? Oft höre ich von Klienten etwa bei den Lückenfüllern, dass sie sich damit eigentlich unwohl fühlen, jedoch gelesen haben, dass man dies so machen müsse. Meine Meinung: Schmeiß alles raus, was nicht wortwörtlich „Deins“ ist. Entschlacke und reduziere so lange, bis Du Dich wieder mit Deiner Version Deines Lebenslaufs wohlfühlst.

4 | Deine Bewerbung erzeugt nichts als Fragezeichen

Apropos leicht lesbar. Je weniger Fragezeichen in den Köpfen der Leser Deiner Bewerbung aufkommen, umso höher ist die Chance, zum Gespräch eingeladen zu werden. Mein Motto im Bewerbungs-Coaching ist „Bewerber, zeigt Kante!“ Denn nur, wer Dich auf Basis Deiner Bewerbung richtig (be)greifen kann, der kann auch eine gute Auswahlentscheidung treffen. 

Mein Tipp:

Wir alle sind tief in unseren Jobs verhaftet und vieles scheint uns selbstverständlich normal. Zeige Deine Unterlagen Freunden und Bekannten, die im besten Fall nicht aus Deiner Branche kommen und bitte sie, Dir ein Feedback zu geben. Haben sie ein Bild von dem, was Du in den letzten Jahren im Beruf gemacht hast? Es geht hierbei nicht darum, dass sie Dir Feedback zu Form oder Aufbau Deines Lebenslaufs geben, sondern sie sollen offen aussprechen, an welchen Stellen sie beim Lesen Fragezeichen im Kopf haben.

Mal ist es sinnvoll, zu viele Details zu entschlacken oder Inhalte zu vereinfachen. Mal ist es das Zusätzliche an Information für mehr Klarheit und ein vollständigeres Bild über Dich und Deine berufliche Vergangenheit. Stell Dir vor, Du erklärst einer fremden „dummen“ Person, was Du in den verschiedenen Stationen Deines Berufslebens gemacht hast und was diese Zeiten für Dich ausgemacht haben. Exakt dies gehört in die Unterpunkte zu einer Position in Deinen Lebenslauf.

5 | Du glaubst inzwischen selbst nicht mehr an dich

Hier schließt sich der Kreis, denn auch der verzweifelte Bittsteller-Bewerber aus Punkt (1) glaubt nicht mehr an sich selbst. Die meisten Bewerber•innen nehmen Absagen viel zu persönlich. Jede weitere Absage kratzt am Selbstbewusstsein und nach 100 Bewerbungen mit Absagen ist aus dem Kratzer eine offene Wunde geworden. Sie zweifeln an ihren Fähigkeiten und verlieren den eigenen Blick auf alles Wertvolle, das ihre Erfahrungen, Stärken und Persönlichkeit ausmacht. Wer als Bewerber nicht mehr selbst an sich glaubt, kann nicht erwarten, dass es Arbeitgeber tun.

Mein Tipp:

Nimm Dir die Zeit, an Deiner eigenen Klarheit zu arbeiten und Dein Vertrauen in Dich zurück zu gewinnen. Sortiere Deine Gedanken und schaffe zuerst für Dich jene Klarheit, die Du in der Rolle als Bewerber•in jetzt brauchst, um mit klarem Kopf und mentaler Stärke auf potenzielle Arbeitgeber zuzugehen. Sprich mit Deiner Familie, Freunden oder Kollegen über Deine Gefühle und Gedanken. Frage sie, was sie besonders an Dir schätzen und lieben. Nicht durch die rosarote Brille und aus Mitleid, sondern als ehrlich aufbauendes Feedback. Mache Dir auch selbst bewusst wieder klar, was Du Wertvolles aus den letzten Jahren in einen neuen Job einbringen kannst – und, dass dies alles nicht an Wert verliert, weil Du auf Deine Bewerbungen bisher nur Absagen erhalten hast.

Vielleicht ist es auch ein professionelles Coaching, in dem Du an an Dir und deinen Themen arbeiten und im Anschluss wieder gestärkter auf den Arbeitsmarkt gehen kannst. Oder was ist es, was Du benötigst, um Dir als Chef•in Deines Lebens wieder selbst zu vertrauen und daran zu glauben, dass es da draußen doch noch einen Job wie für Dich gemacht gibt, Du gute Gespräche führen wirst und womöglich schon bald einen neuen Arbeitsvertrag in der Tasche hast?

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Dieser Artikel ist in einer längeren Fassung zuerst auf meinem Karriere-Blog erschienen.  

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Wenn Du auch schon viele Bewerbungen verschickt und Dich in einem der 5 Punkte erkannt hast, dann schreib es gerne in die Kommentare. Oder wenn Du inzwischen einen neuen Job gefunden hast – was war es bei Dir, das Dich schließlich zum Erfolg geführt hat? 

Wer schreibt hier?

Dr. Bernd Slaghuis
Dr. Bernd Slaghuis

Karriere- und Business-Coach, Dr. Bernd Slaghuis

für Job & Karriere, berufliche Neurorientierung, Bewerbung

Karriere ist heute mehr als nur "höher, schneller, weiter". Seit 2011 habe ich über 1.800 Angestellte bei ihrem nächsten Schritt im Beruf begleitet. Von der Neuorientierung und Bewerbung bis zum Onboarding. Meine Erfahrungen teile ich hier als XING Insider, auf meinem Blog und als SPIEGEL-Kolumnist.
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