Bundesliga

Dutt über Schuster: "Bei 16 bis 17 Klubs wäre das ein Problem"

Freiburgs Ex-Trainer im kicker-Interview

Dutt über Schuster: "Bei 16 bis 17 Klubs wäre das ein Problem"

Robin Dutt folgte einst auf Volker Finke in Freiburg - und kann sich deshalb gut in Julian Schusters Lage hineinversetzen.

Robin Dutt folgte einst auf Volker Finke in Freiburg - und kann sich deshalb gut in Julian Schusters Lage hineinversetzen. IMAGO/Eibner Europa

Als bisher einziger weiß Dutt, wie es sich anfühlt, beim SC Freiburg in riesige Trainer-Fußstapfen zu treten. Nach 16 Jahren Finke verpflichteten die Breisgauer 2007 den damals noch weitgehend unbekannten Drittligatrainer von den Stuttgarter Kickers. Im zweiten Jahr führte Dutt den Sport-Club zurück in die Bundesliga, empfahl sich dort mit den beachtlichen Endplatzierungen als 14. (2010) und Neunter (2011) für den Trainerjob bei Bayer 04 Leverkusen.

Dutt wirkte über vier unterm Strich erfolgreiche Jahre in Freiburg und spricht nun über Julian Schuster, den Nachfolger von Langzeit-Erfolgscoach Christian Streich. A-Jugendtrainer Streich hatte als Assistent zu Dutts Trainerstab gehört und Schuster kam 2008 als Spieler dazu.

Herr Dutt, was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie erfuhren, dass Julian Schuster Nachfolger von Christian Streich werden soll?

Verwundert war ich nicht. Ich habe Julian damals von der zweiten Mannschaft des VfB Stuttgart nach Freiburg geholt. Er hat sich innerhalb des ersten Jahres zum Stammspieler und zweiten Kapitän entwickelt. Er war schon damals mit 23, 24 Jahren ein sehr guter Stratege, ein Führungsspieler, mit dem du dich als Trainer auch über taktische Pläne und Herangehensweisen unterhalten konntest.

Schuster war als Spieler ein Spätstarter, hatte bis zum Alter von 19 Jahren noch in der Kreis- und Bezirksliga gekickt, spielte dann vier Jahre in der drittklassigen Regionalliga-Mannschaft des VfB. Warum haben Sie mehr in ihm gesehen, was hat ihn ausgezeichnet?

Ich komme ja aus Stuttgart und konnte ihn durch mehrere Beobachtungen perfekt einschätzen. Wir waren uns sogar schon im Jahr vorher einig. Dann hat er aber meiner Erinnerung nach zwei Freistöße direkt verwandelt, woraufhin der VfB doch noch sein Veto eingelegt hat, mit der Prämisse, ihm bei den Profis eine Chance zu geben. Das beschränkte sich dann aber auf drei Einsätze. Bei uns hat er ein halbes Jahr Anlaufzeit gebraucht, war dann Stammkraft und schnell zweiter Kapitän hinter Heiko Butscher. Unter Christian war Julian später durchgehend 1. Kapitän.

In der Bundesliga waren wir dann mit die Ersten, die mit ihm die abkippende Sechs eingeführt haben.

Robin Dutt

Weil er es trotz deutlicher Defizite in puncto Athletik und Tempo auch in der Bundesliga schaffte, Akzente zu setzen.

Genau, Julian war ein typischer Freiburg-Spieler, der sich in dem ruhigeren SC-Umfeld besser entwickeln konnte als zum Beispiel beim VfB. In der Bundesliga waren wir dann mit die Ersten, die mit ihm die abkippende Sechs eingeführt haben, die seinerzeit in Spanien schon zum Standard gehörte. Sich zu den Innenverteidigern als freier Mann in die letzte Linie fallen zu lassen, um dort in Überzahl das Spiel aufzubauen - diese Rolle war für ihn prädestiniert.

Jetzt tritt er nach sechs Jahren Erfahrung im Hintergrund als Verbindungs- und Co-Trainer als Chefcoach in die großen Fußstapfen von Christian Streich. Das ist eine große Bürde.

Stimmt, aber ich kam damals auch aus der 3. Liga und habe das große Erbe von Volker Finke angetreten. Beim SC Freiburg herrscht intern eine große Unterstützung, es ist insgesamt mehr Teamwork als woanders, da ist eine solch große Herausforderung etwas einfacher zu meistern.

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"Bei Jürgen Klopp hat es damals in Mainz auch funktioniert."

Sie waren vorher allerdings schon jahrelang Cheftrainer von Mannschaften in der Oberliga und der damals drittklassigen Regionalliga. Ist es denn kein Problem, dass Schuster noch nie ein Team hauptverantwortlich trainiert und gecoacht hat, auch nicht in der Jugend?

Bei 16 bis 17 anderen Bundesligisten wäre das aus meiner Sicht ein Problem. Man muss als Cheftrainer neben der fachlichen Arbeit auch auf Strömungen innerhalb eines Vereins achten und reagieren, die Medienarbeit mit dem ständigen Fokus ist nicht zu unterschätzen und dann gilt es die vielen Einzelinteressen in einem Kader zu moderieren. Grundsätzlich würde ich es also nicht empfehlen, einem Trainer ohne Chefcoach-Erfahrung einen Bundesligajob anzuvertrauen.

Und in Freiburg?

Da ist es möglich, falls der Kandidat ein außergewöhnliches Talent ist. Bei Jürgen Klopp hat es damals in Mainz, als er plötzlich vom Spieler zum Trainer wurde, auch funktioniert. Ich sehe in Julian ein großes Trainertalent und bin überzeugt, dass es in Kombination mit dem unterstützenden Umfeld beim SC zu 100 Prozent hinhauen wird.

Robin Dutt und Julian

Robin Dutt und Julian Schuster im November 2009 gemeinsam in Freiburg. imago sportfotodienst

Was bedeutet "hinhauen" in dem Zusammenhang?

Das ist die entscheidende Frage. Hinhauen bedeutet beim SC Freiburg nämlich etwas anderes als an anderen Standorten. Beim SC geht es mehr um die inhaltliche Arbeit, den grundsätzlichen Entwicklungsprozess. Da darf im Notfall sogar mal ein Abstieg passieren, wie unter Christian Streich, der die Mannschaft dann zum direkten Wiederaufstieg geführt hat. In Freiburg wird Erfolg nicht ausschließlich an den Ergebnissen vom Wochenende und am Tabellenplatz gemessen.

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