Metadaten helfen Amerikas Geheimdiensten beim Töten. Und der Bundesnachrichtendienst hilft der NSA und der CIA, genau solche Metadaten zu sammeln. Nicht gezielt, sondern massenhaft. Viele Millionen Metadaten fischt der BND ab und reicht sie an die amerikanischen Dienste weiter. Genauer: 220 Millionen jeden Tag.

Im deutschen Auslandsgeheimdienst vollzieht sich ein Paradigmenwechsel. Statt einzelnen Verdächtigen nachzuforschen, setzt der BND auf Massenüberwachung. Recherchen von ZEIT ONLINE zeigen nun zum ersten Mal, wie umfangreich dieser Umbau ist und wie problematisch. 

Früher belauschten Spione Menschen, sie kopierten heimlich Briefe und hörten Telefonate ab. Sie wollten wissen, was die Leute sagen, was sie miteinander verabreden und sich gegenseitig weitererzählen. Bis heute bestimmt der mithörende Agent mit den Kopfhörern auf den Ohren die Vorstellung davon, wie Überwachung funktioniert. Doch das ist die Vergangenheit. 

Die Spione der Gegenwart interessieren sich für ganz andere Spuren: Metadaten. Aus ihnen können die Geheimdienste herauslesen, wer wann wo mit wem und wie lange kommunizierte. Jede E-Mail trägt solche Metadaten, jede SMS, jedes digitale Bild, jede WhatsApp-Nachricht. Wer sie interpretieren kann, weiß nicht nur, was Menschen einander erzählen. Metadaten verraten viel mehr: Wo Menschen gerade sind, woher sie kamen, was sie im Moment tun, sogar was sie planen. Sie enttarnen jedes Versteck und jeden heimlichen Kontakt. "We kill people based on metadata", sagte der frühere NSA- und CIA-Chef Michael Hayden 2014. Wer die passenden Metadaten kennt, weiß, wohin er die tödliche Drohne schicken muss. 

Genau so gehen NSA und CIA vor. Die menschlichen Ziele, auf die amerikanische Drohnen im Jemen, in Somalia oder Afghanistan ihre Hellfire-Raketen abschießen, werden mit ebensolchen weltweit mitgeschnittenen Metadaten ermittelt – mit GPS-Standortkoordinaten, mit Kommunikationsmustern, mit Kennungen von Mobiltelefonen. Anhand dieser Informationen lassen sich auch Profile erstellen und Muster im Verhalten der Zielperson erkennen. So können die Geheimdienste mit großer Sicherheit voraussagen, was eine bestimmte Person als Nächstes tun wird, wo sie sich zu einem bestimmten Zeitpunkt aufhalten wird. Für die NSA sind Metadaten eine der wichtigsten Informationsquellen. 

Auch im BND weiß man schon lange um die Macht der Metadaten. Seit dem 11. September 2001 wird dort überlegt, die Arbeit stärker auf solche Daten zu stützen. Seit 2002 nahmen diese Überlegungen Kontur an, belegen Aktenvermerke des Dienstes. Sie zeigen auch, dass der BND inzwischen große Teile seiner Überwachung auf die Auswertung von Metadaten umgestellt hat. 

ZEIT ONLINE hat von geheimen Akten des Auslandsnachrichtendienstes erfahren, aus denen hervorgeht, dass fünf Dienststellen daran beteiligt sind, Metadaten in großem Stil zu sammeln. In den BND-Außenstellen in Schöningen, Rheinhausen, Bad Aibling und Gablingen laufen in aller Welt abgesaugte Metadaten ein, 220 Millionen davon an jedem einzelnen Tag. Zwischen einer Woche und sechs Monaten werden sie dort gespeichert und nach bislang unbekannten Kriterien sortiert. Die Daten werden aber nicht nur gesammelt. Sie werden auch genutzt, um Verdächtige zu beobachten und zu verfolgen. 

Woher der BND die Daten genau bezieht, ist noch unklar. Der NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages hat aufgedeckt, dass der Geheimdienst sowohl Satellitenkommunikation als auch Internetkabel abhört. Die 220 Millionen Metadaten sind nur ein Teil dessen, was bei diesen Abhöraktionen anfällt. Sicher ist, dass die Metadaten allein aus "ausländischen Wählverkehren" stammen, also aus Telefonaten und SMS, die über Mobilfunk und Satelliten geführt und verschickt wurden.