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Deutschland Vorwurf der AKP

„Deutschland ist Rückzugsraum der PKK-Terroristen“

| Lesedauer: 3 Minuten
Politikredakteur
Erdogan fordert mehr Unterstützung gegen die PKK

Bei einer Rede vor der parlamentarischen Versammlung der Nato in Istanbul hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan von Europa ein härteres Vorgehen gegen die kurdische Arbeiterpartei PKK gefordert.

Quelle: Die Welt

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In Berlin wirft Erdogans Menschenrechtsbeauftragter der Bundesrepublik vor, die PKK gewähren zu lassen. 14.000 Mitglieder der Terrororganisation seien in Deutschland „wahnsinnig aktiv“.

Mustafa Yeneroglu ist in Deutschland geboren, hat in Köln studiert, war später Generalsekretär des vom Verfassungsschutz beobachteten Islamverbands Milli Görüs. Heute ist er Abgeordneter im türkischen Parlament und reist als Menschenrechtsbeauftragter der Regierungspartei AKP durch Europa, um das Verständnis für das Handeln Ankaras zu vergrößern.

Ein schwieriges Amt in diesen Zeiten. Am Montag ging Yeneroglu ihm in der türkischen Botschaft in Berlin nach, um „vor dem Hintergrund der extrem einseitigen Berichterstattung der deutschen Presse noch einmal die türkische Sicht“ darzulegen.

Vor allem wirft Yeneroglu Bundesregierung und deutschen Medien vor, die in der Bundesrepublik verbotene Terrororganisation PKK zu unterschätzen. „Wenn wir deutlich machen, dass die PKK Deutschland als Rückzugsraum nutzt, und deutsche Politiker uns sagen, dass sie das nicht nachvollziehen können, dann sollten insbesondere die Regierungsvertreter die Verfassungsschutzberichte lesen“, sagte Yeneroglu mit Blick auf Äußerungen von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD).

Der war bei seinem jüngsten Türkei-Besuch von seinem Kollegen Mevlüt Cavusoglu mit einer Reihe von Vorwürfen konfrontiert worden. In einem für das diplomatische Parkett ungewöhnlich frechen Tonfall hielt der türkische Minister Steinmeier vor, in Deutschland gebe es 4500 Strafverfahren gegen Mitglieder der PKK. Aber nur drei der Täter seien bisher an die Türkei ausgeliefert worden.

„Dokumentenlage falsch dargestellt“

Die Zahlen Cavusoglus stammen offenbar aus einem Bericht des Bundesinnenministers aus dem Jahr 2014 zur PKK. Allerdings betreffen laut Bundesregierung 4400 dieser Fälle „Ermittlungsverfahren mit PKK-Bezug“ seit 2004. Diese Ermittlungen befassten sich auch meist nicht mit Terrorismus, sondern etwa mit Spendengelderpressung und Körperverletzung; vor allem aber mit Verstößen gegen das vereinsrechtliche Betätigungsverbot.

AKP-Politiker Yeneroglu behauptete: Im Nachgang des Steinmeier-Besuchs sei von Politikern und Medien „die Dokumentenlage falsch dargestellt“ worden. 4000 Verfahren gegen die PKK habe es in Deutschland gegeben, darunter aber nur acht Strafverfahren. Davon hätten nur sechs zu Freiheitsstrafen geführt.

„Die PKK ist in Deutschland wahnsinnig aktiv“, sagte Yeneroglu. „Das Konterfei des PKK-Chefs wird täglich irgendwo in Deutschland öffentlich gezeigt. Regelmäßig stehen vor dem Reichstag PKK-Propaganda-Zelte.“ 14.000 Mitglieder zähle die Terrororganisation in Deutschland; damit rühme sie sich in eigenen Publikationen.

Gewalt gegen Polizisten

Yeneroglu unterstützt zwar, dass die kurdische Partei PYD „in deutschen Verfassungsschutzberichten als syrischer Arm der PKK eingestuft“ werde. Er frage sich aber: „Wie kann es dann sein, dass sie in Berlin Büros eröffnen darf?“ Tatsächlich betreibt die PYD in der Bundeshauptstadt ein Büro zur Förderung der kurdischen Separatisten in Nordsyrien. Deutschland betrachtet die Partei allerdings nicht als Terrororganisation.

Zudem geht die Bundesrepublik härter gegen die PKK vor als die meisten anderen EU-Staaten. Führende Aktivisten erhielten von deutschen Gerichten zuletzt sieben Jahre Haft; Gründe für Gefängnisstrafen können schon das Sammeln von Spenden und das Werben um Mitglieder sein.

„Wenn Sie mich jetzt nicht reden lassen, gehe ich“

Das Thema bei „Maybrit Illner“ lautete: „Erdogans Rache – ist die Türkei noch unser Partner?“ Der AKP-Abgeordnete Mustafa Yeneroglu fand die Gesprächskonstellation „unfair“ und drohte, zu gehen.

Quelle: Die Welt

Andererseits hält sich die öffentliche Erregung über kurdische Extremisten in Grenzen. Als vor einer Woche etwa rund 25.000 Aleviten und Kurden in Köln gegen den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan protestierten, schwenkten sie PKK-Fahnen. Als Polizisten ihre Personalien aufnehmen wollten, gingen sie mit Gewalt gegen die Beamten vor.

Obwohl die kurdischen Extremisten die Beamten mit Flaschen und Steinen bewarfen und nur durch Wasserwerfer und eine Reiterstaffel aufgehalten werden konnten, äußerte sich dazu kein Politiker – und nur wenige Medien berichteten. Im vergangenen Jahr gab es Dutzende gewaltsame Übergriffe durch kurdische Extremisten, bei Demonstrationen ebenso wie bei Schlägereien mit mutmaßlich türkischen Nationalisten. Auch türkische Moscheen wurden mit Brandsätzen attackiert.

Es wäre bestimmt kein Fehler, die Umtriebe kurdischer wie auch türkischer Nationalisten in Deutschland schärfer zu beobachten – und auch die gesellschaftlichen Bedingungen, die den Lebenslauf Yeneroglus ermöglichten.

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