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Ausbleibende Staatshilfen Volocopter-CEO: „Ich kann mir die Absage nicht so recht erklären“

Dirk Hoke ist seit 2022 CEO von Volocopter. Zuvor leitete er die Rüstungssparte von Airbus
Dirk Hoke ist seit 2022 CEO von Volocopter. Zuvor leitete er die Rüstungssparte von Airbus
© Anne-Sophie Stolz
Monatelang verhandelte das Flugtaxi-Start-up Volocopter mit Baden-Württemberg, Bayern und dem Bund über Subventionen. Am Ende wird wohl kein Geld fließen – und CEO Dirk Hoke fühlt sich hintergangen. Im Interview schildert er seine Version der Ereignisse

Capital: Herr Hoke, seit Monaten versuchen Sie an Staatshilfe für Volocopter zu kommen. Warum eigentlich?
DIRK HOKE: Seit Ende 2022 ist das Umfeld an den Kapitalmärkten schwierig. Natürlich richtet man in einer derart technologisch komplexen und kapitalintensiven Branche wie unserer auch den Blick in Richtung des Staates. Bund und Land betonen, zukunftsfähige Technologien fördern und Start-ups und innovative Projekte mit Wagniskapital ausstatten zu wollen. Ohne die Weitsicht des ein oder anderen Politikers hätte es kein Airbus oder keine leistungsfähige Luft- und Raumfahrtindustrie in Deutschland gegeben. Wir brauchen jetzt kurz vor der Kommerzialisierung Unterstützung. Dieser neue Industriezweig, davon bin ich überzeugt, wird in den nächsten Jahren abheben und skalieren. Diese Unterstützung kann durch ein direktes Eigenkapitalinvestment, einen Überbrückungskredit oder Forschungsunterstützung erfolgen. 

An wie viel Geld haben Sie gedacht? 
Es geht bei der Finanzierung jetzt darum, alle relevanten Meilensteine in diesem Jahr zu erreichen. Bis zur Musterzulassung durch die Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA) und die Aufnahme des kommerziellen Flugbetriebs in Metropolen wie Paris und Rom würden uns weniger als 75 Mio. Euro reichen. Damit wären wir das erste eVTOL-Unternehmen, das – genauso sicher wie beispielsweise ein A320 – in Europa Passagiere transportiert. Das wiederum wird neues Kapital generieren und uns bis zur nächsten Fahrzeuggeneration, einem Fünfsitzer, und an die Börse bringen.

An wen haben Sie sich gewandt?
Wir haben direkt mit der Bundesregierung gesprochen. Der Kredit würde über die KfW ausbezahlt. Diese hat nach sorgfältiger Prüfung grünes Licht gegeben, gleichwohl zusammen mit dem Bundesfinanzministerium zu einer Risikoteilung geraten. Die Rückversicherung der Summe sollte zu gleichen Teilen zwischen Bund und Land aufgeteilt werden. Die vom Bund bei PwC in Auftrag gegebene abschließende Wirtschaftlichkeitsstudie, die uns nicht vorliegt, bescheinigt – das wird auch vom Bundesverkehrsministerium bestätigt – unsere realistischen Chancen für den Markteintritt, und hebt hervor, dass das Wandeldarlehen in diesem Fall ein sinnvolles Instrument ist. Schließlich haben wir aber dann aus Berlin erfahren, dass Baden-Württemberg den Bund schriftlich über die Ablehnung der Bürgschaft informiert hat.

Ihnen wurde nicht abgesagt?
Nein, das haben wir tatsächlich erst aus Berlin erfahren. Natürlich haben wir unsererseits nochmals das Gespräch gesucht, leider erfolglos. Der Ministerpräsident und der Finanzminister waren für uns nicht mehr zu sprechen. Wir wurden dann per Videokonferenz vom Chef der Staatskanzlei final informiert.

Das von Ihnen erwähnte PwC-Gutachten soll aber vor einer Staatsgarantie gewarnt haben.
Das stimmt nicht. Eine umfassende Risikobewertung bildet zunächst einmal immer alle Möglichkeiten ab. Es wurde aber nie von einer Investition abgeraten, im Gegenteil. Der Bund bestätigt das und ist weiterhin bereit, uns über einen staatlich verbürgten Kredit zu unterstützen – mit einem Land als Partner. 

Wie haben Sie auf die Absage aus Baden-Württemberg reagiert?
Ich habe kein Problem damit, wenn man mir ins Gesicht gesagt hätte: Wir haben es geprüft und können das nicht machen. Ein Anruf oder ein Treffen mit den Entscheidungsträgern. Aber diese Art und Weise der Kommunikation des Landes Baden-Württemberg mit Blick auf ein Unternehmen, das knapp 650 hochqualifizierte Mitarbeiter in Bruchsal beschäftigt, war nicht okay. Und das Verschleppen dieser Entscheidung war nicht okay.

Ursprünglich waren 300 Mio. Euro an Staatshilfen im Gespräch. Darum ging es dann aber schon nicht mehr, oder?
Richtig. Auf Druck Baden-Württembergs war nur noch ein Wandeldarlehen über 150 Mio. Euro vorgesehen. Womit das Land 75 Mio. Euro rückversichern hätte müssen. Ende des Jahres kam dann die finale Absage. 

Absage von Aiwangers Ministerium

Dann kam ein anderes Bundesland ins Spiel. 
Korrekt. Vor Weihnachten bin ich an die bayerische Staatsregierung herangetreten, da wir in München auch einen wichtigen Standort unterhalten. Das Wirtschaftsministerium unter Staatsminister Hubert Aiwanger bekam den Auftrag von Ministerpräsident Markus Söder, alle nötigen Unterlagen zu prüfen. Unter anderem ging es dabei auch um eine mögliche Standortverlagerung von Baden-Württemberg nach Bayern. Ich bin es auch unseren Mitarbeitern schuldig, alle Optionen auszuloten. Im März 2024 lagen alle nötigen Dokumente und Verträge für eine Entscheidung vor. Es ging um insgesamt 100 Mio. Euro. Dann wurden jedoch zusätzliche 50 Mio. Euro von den existierenden Investoren zur Absicherung gefordert.

Wer forderte das, Bayern oder der Bund?
Beide. Das haben wir auch hinbekommen.

Und dann?
Wir haben Hubert Aiwanger unser Fluggerät präsentiert und er konnte einem Flug beiwohnen. Es war ein positiver Besuch. Der Staatsminister hat viele gute Fragen gestellt, konnte sich davon überzeugen, was wir können, dass wir nicht nur eine Powerpoint-Firma sind. Auch das Feedback haben wir als positiv wahrgenommen. Dennoch hat uns das bayerische Wirtschaftsministerium eine Absage erteilt. So recht erklären kann ich mir das nicht. 

Hat Aiwanger wenigstens angerufen?
Ja. Und er hat auch signalisiert, nicht zu blockieren, falls ein anderes Ressort unterstützen wolle.

Er wollte nicht die Verantwortung für einen möglichen Totalausfall übernehmen?
Das müssen Sie ihn fragen. Wir haben dann positive Gespräche mit dem Wissenschaftsministerium geführt, bekamen letztlich aber die Information, dass das Wirtschaftsministerium, entgegen seiner Ankündigung, ein Veto eingelegt hat. Da darf man sich zumindest wundern. 

„Dieser Markt wird kommen“

Rechnen Sie damit, dass sich die Haltung der Landesregierung noch einmal ändern könnte?
In der Luft- und Raumfahrt arbeiten seit jeher Optimisten, dennoch wurden auch ohne offizielle Entscheidung im Kabinett Fakten geschaffen, die wir nicht ignorieren können. 

Haben Sie mit Herrn Aiwanger nochmal Kontakt gehabt?
Nein. 

Waren das nun verlorene Monate für Sie?
Absolut nicht. Wir gehen durch eine schwierige Phase, nicht nur Volocopter, sondern die gesamte Industrie. Dennoch bin ich überzeugt, dass wir besser als jeder andere Wettbewerber positioniert sind, diese Schlüsseltechnologie in Deutschland und international entscheidend mitzugestalten. Doch brauchen wir auf den letzten Metern aktuell noch Unterstützung. Gleichwohl überwiegen die Chancen hier eindeutig die Risiken. Dieser Markt wird kommen. Es ist doch jetzt mehr als bedauerlich und kaum nachvollziehbar, in der entscheidenden Phase den innovativen Playern die Unterstützung zu versagen. 

Gibt es einen Plan B?
Sie können sicher sein, dass wir nach der Erfahrung in Baden-Württemberg schon früh angefangen haben, Alternativen vorzubereiten. 

Sie haben mehrfach auch öffentlich über eine mögliche Insolvenz gesprochen – das ist in der Offenheit eher ungewöhnlich. Warum?
Warum nicht? Insolvenz ist eine Realität, mit der man sich als Start-up immer beschäftigen muss. Außerdem ist es eine klare Botschaft an die Politik, zu handeln, bevor es zu spät ist.

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